Die Einöder
fixierte eine verkrustete Trockenstelle im Flußbett, welche zwischen zwei Tümpeln lag, die von giftig schillerndem Schleim bedeckt waren.
Geraume Zeit stand der Einöder reglos da; nur seine Kiefermuskeln, dünne Stränge unter eingefallener Wangenhaut, mahlten in animalischer Gier. Aber dann auf einmal, als er eine winzige, flitzende Bewegung auf dem krustigen Boden nahe des einen Schleimtümpels ausmachte, sprang der Alte vor und ging auf die Knie. Seine Rechte krallte sich in den bröselnden Trockenschlamm; hastig tasteten die Finger – und in der nächsten Sekunde spürte der Jäger das panische, messerscharfe Werkeln der Beute in seiner empfindlichen Handfläche. Das rasende, chitinharte Wetzen verursachte ihm Schmerz; trotzdem knurrte der Alte erfreut, und gleich darauf steckte er den Heuschreck in einen Plastikbeutel, den er rasch aus der Tasche gezogen hatte.
Langsam, während der Einödbauer seine Insektenjagd fortsetzte, stieg die Sonne hinter den dichtgeballten Wolken mit den schwefelfarbenen Säumen höher. Die Hitze drang durch die Wolkenschwaden und staute sich unter ihnen; die Tümpel im ausgedörrten Flußbett begannen einen bestialischen Gestank zu verströmen. Ab und zu platzte im Giftschleim, welcher die Totwassertümpel bedeckte, mit ekelhaftem Schmatzen eine hochgetriebene Gasblase; das Faulgas wurde von verrottender organischer Materie in der Tiefe der Schleimtümpel ausgestoßen.
Wieder und wieder zerplatzten die Sumpfblasen und verbreiteten ihren Verwesungsgestank. Doch der Jäger achtete nicht darauf; er hatte sich längst an den ekelerregenden Pesthauch gewöhnt, und seine Aufmerksamkeit galt allein den Heuschrecken, die mit zunehmender Sonnenhitze immer zahlreicher über den Trockenschlamm setzten. Gegen Mittag schließlich war der Plastikbeutel des Alten gefüllt, und weil der Einöder die großen Insekten nicht getötet hatte, raschelte und wuselte es nun derart wild und kräftig in dem Beutel, daß so mancher überzivilisierte Mensch der früheren Zeit irrationale Angstzustände bekommen hätte. Aber den Jäger kümmerte das Kratzen, Wetzen und hektische Sirren im Plastikbeutel nicht; der Einödbauer war sogar dankbar für den chitinprasselnden Aufruhr, denn das Geraschel und Gewusel bedeutete kräftige Nahrung für ihn und sein Weib.
Als sich der Alte kurz nach der Mittagsstunde auf den Heimweg machte, lastete die stickige Hitze dermaßen schwer über dem ausgetrockneten Flußtal, daß es dem Einöder den Schweiß aus allen Poren treiben wollte. Doch weil das Trinkwasser im Tal des Schwarzen Regen so schrecklich knapp geworden und der Körper des Alten deshalb ständig dehydriert war, vermochte der Einödbauer nicht mehr wirklich zu schwitzen; es bildete sich lediglich ein salziger, juckender Belag auf seiner Haut. Aber auch das ignorierte er aufgrund langer, lästiger Gewöhnung, und letztlich legte er den Weg zwischen Flußufer und Hofstätte sogar etwas schneller als am Morgen zurück.
„Voll!“ Damit begrüßte ihn seine Frau, nachdem sie einen gierigen Blick auf den Plastikbeutel geworfen hatte. Erneut wässerte ihr der Mund; abermals lief ihr ein Speichelfaden über das spitze Kinn, und nun kam sie hastig näher und wollte nach dem Beutel greifen.
„Weg!“ Der Mann machte eine scheuchende Handbewegung; ganz so, als wollte er eine streunende Katze oder einen räudigen Köter verjagen.
Sein Weib wich zurück; brachte es jedoch nicht fertig, den Plastikbeutel mit seinem wuselnden Inhalt aus den Augen zu lassen.
„Morgen!“ raunzte der Einöder, und die Alte nickte mit verspanntem, enttäuschtem Gesichtsausdruck. Aber dann, als sie daran dachte, daß die Mahlzeit des nächsten Tages nicht nur aus den Heuschrecken, sondern auch aus dem Wurzelbrei bestehen würde, den sie am Morgen im Steinmörser zubereitet hatte, hellte sich ihre Miene auf. Fast lächelnd schaute sie zu, wie ihr Gemahl den Beutel mit seiner Jagdbeute neben dem Mörser abstellte, in welchem der mit Speichel versetzte Brei quoll – und gleich darauf, als ihr Gefährte wieder nach draußen ging, folgte sie ihm.
Der Einödbauer und sein Weib begaben sich zum uralten Hofbrunnen, von dem sie seit dem Zusammenbruch der öffentlichen Versorgungsnetze ihr Trinkwasser zu holen pflegten. Der Ziehbrunnen befand sich im Windschutz zweier eng beieinanderstehender Felsen, deren Kuppen sich eineinhalb Meter über der aus Bruchsteinen aufgemauerten Brunneneinfassung beinahe berührten. Der Urgroßvater des
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