Die Einsamkeit des Chamäleons
Schwaben auf. AuÃerdem«, Mark erhob sich, »die Todesfälle in der Recyclingfirma ergeben eine Serie. Und es gibt, wie wir alle wissen, keine Zufälle â¦Â«
»Nein, aber es gibt das Gesetz der Serie«, unterbrach ihn Nebel erneut ungewohnt lebhaft, »und das besagt, dass sich Dinge anscheinend wiederholen, obwohl es keinen Zusammenhang gibt. Und uns an Gesetze zu halten, bläuen wir unserer Kundschaft ja wohl ein, oder?«
»Tschüss, Herr Oberlehrer!«
Die hingehaltene Hand drückte Nebel im Sitzen und nun mit einem tatsächlich zufriedenen Ausdruck im Gesicht.
Kapitel 8
Die Zeit bis zur Beerdigung von Karl-Heinz Otto verging wie im Flug. Rebekka begann den Tag gewöhnlich gegen fünf Uhr morgens mit einer Tasse Kaffee, lief gegen sechs Uhr ihre Runde auf dem Acker, duschte dann ausgiebig, trank ihren zweiten Kaffee und klickte sich nebenbei durchs Internet und dort speziell auf Nachrichten aus Frankreich und einem dort einsitzenden Serienmörder, während in dem kleinen Fernseher auf der Anrichte die Nachrichten aus Deutschland liefen.
Wenn Sie besser drauf sein wollen bei Ihrem Start in den Tag, dann hören Sie sich keine Nachrichten mehr an!
Jeder Tag hatte für Rebekka neben seiner eigenen Farbe auch eine feste Struktur. Wohnte sie im Vico House , war das Zeitkorsett aus Aufstehen, Kaffee, Sport, Kaffee, Internet und Nachrichten das gleiche. Ihr Leben war eine einzige Bewegung, und sie war ständig auf der Hut. Ihre Sinne waren geschärft und pausenlos im Einsatz. Disziplin war für Rebekka überlebenswichtig.
Bresecke pflückte gerade die Plastikostereier von seinem Magnolienbaum, als Rebekka sich an den Küchentisch setzte und ihren Laptop aufklappte. Von wenigstens einem der 19 Toten hatte sie nun einen Namen. Sie gab bei Google den Suchbegriff Karl-Heinz Otto ein und bekam im Raum Berlin eine Handvoll brauchbarer Treffer. Einer davon stand in Verbindung mit Anneliese Otto, einer früh verstorbenen Lyrikerin, deren Name Rebekka nichts sagte. Mit ihr hatte Karl-Heinz Otto vier Kinder gehabt. Das musste er sein. Im Internet waren vier Gedichtbände von Anneliese Otto aus den Jahren 1967 bis 1974 gelistet. Sie bestellte die antiquarischen Ausgaben mit Eilzustellung an ihre Neuenhagener Adresse.
Karl-Heinz Otto hatte zwar nicht der Facebook -Generation angehört, seine Kinder hingegen schon. Da war der Erste: Nils Otto. Er war so alt wie Rebekka. Es war nicht schwer, aus seinem Internetprofil die Gegend herauszufinden, in der er aufgewachsen war. Die einzige Kindertagesstätte weit und breit war ein Ãberbleibsel aus DDR-Zeiten und sah auch so aus. Rebekka schaute auf die Uhr â es war bereits Mittag, und Bresecke war dem barschen Ruf seiner Frau in die Küche gefolgt, aus der es bis hinüber zu Rebekkas offenstehendem Fenster verführerisch nach BratensoÃe roch. Bresecke hatte sich noch ein, zwei Mal umgeschaut und Rebekkas Winken ignoriert. Trotzdem würde sie nie aufhören, ihm Zeichen der Freundlichkeit zu senden. Irgendwann knackte sie ihn schon noch.
Rebekka goss sich eine Chinasuppe auf und legte eine Scheibe Emmentaler auf das Nudelquadrat. Während der Käse schmolz, zog sie sich eine weite, schwarze Anzughose an, darüber eine schwarz-weià gepunktete Bluse und ein weiÃes Herrensakko von Hermés . Aus dem Ãberangebot billiger Wegwerfsachen entschied sich Rebekka generell für Markenkleidung. So war ihre Garderobe überschaubar, zeitlos, haltbar und für jeden Anlass passend.
Nach längerem Suchen erschien auf dem Computerbildschirm die Karte mit der Adresse der Kindertagesstätte âºLöwenzahnâ¹ in Berlin-Hellersdorf. Die Belegschaft hatte eine Petition zum Erhalt der Einrichtung gestartet. Das Gebäude war geschlossen, doch für die überfällige Sanierung standen noch nicht genügend Gelder zur Verfügung. Rebekka klickte sich bis zum Bauamt durch und erfuhr von der latenten Einsturzgefahr, die das teilgeräumte Haus bedrohte. âºAnsprechpartnerin vor Ort: Frau Mischkeâ¹, las Rebekka und hätte gern einen Vornamen dazu gewusst.
Dann eben Frau Mischke.
In den Onlinefahrplan gab Rebekka die Verbindung ein und musste sich beeilen, da sie den Bus zur S-Bahn schaffen wollte. Sie aà hastig ihre Suppe, dann verriegelte sie das Fenster und packte den perfekt gefälschten Presseausweis, Notizbuch und Kamera zu den restlichen Utensilien in ihre
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