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Die Einsamkeit des Chamäleons

Die Einsamkeit des Chamäleons

Titel: Die Einsamkeit des Chamäleons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Holland Moritz
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Handtasche. Sie schloss die Tür hinter sich ab und rannte los.

Kapitel 9
    In der verwaisten Einrichtung, in der nur noch die kleinen Toilettenbecken und das liegen gelassene Spielzeug an einen Kindergarten erinnerten, fand Rebekka eine auskunftsfreudige Chefin vor.
    Â»Dett wird ja Zeit, dett sich ma eena interessiert!«
    Die robuste Frau mit kunstvoll aufgetürmten Locken und einem vereinnahmenden Blick unter etwas zu dunkel geratenem Make-up konnte nun endlich mal Luft ablassen. Sie bat Rebekka in das, was einmal die Personalküche war, und schenkte ihr einen Kaffee ein. Rebekkas Presseausweis versprach einen aufrüttelnden Artikel in egal welcher Zeitung. Für Frau Mischke war nur wichtig, dass die drohende Schließung abgewendet wurde.
    Â»Die Hütte steht seit den 1920er Jahren, und dann wundern se sich, wenn der Putz von die Wände kommt. Hier sind Kinder am Start, Mensch, keene Aquarianer!«
    Frau Mischke war so richtig Rebekkas Fall, und im wahren Leben hätte sie eine Frau wie sie gerne zur Freundin gehabt. Doch hier war nicht das wahre Leben. Rebekkas Besuch bestand aus einer einzigen Lüge, an der sie behutsam weiterbauen musste.
    Â»Seit den 1920er Jahren gibt es das Haus?«
    Â»Jawoll. Iss nich so ’n Neubau wie die restlichen Schablonen hier!«
    Die kleinen Strasssteine auf den sorgfältig pink lackierten Nägeln blinkten im Neonlicht, während Frau Mischke in eine imaginäre Gegend wies.
    Eine halbe Stunde später hatte Rebekka so ziemlich alles über Kindererziehung im Allgemeinen und die Kita ›Löwenzahn‹ im Speziellen erfahren.
    Â»Weil ich gerade hier bin, darf ich Ihnen eine Frage in eigener Sache stellen?«
    Â»In welcher Sache ooch imma.« Frau Mischke lachte und griff zu einer Schachtel Zigaretten, von denen sie Rebekka eine anbot. »Een Vorteil hatt ditt Janze, endlich könn ma ma eene roochn hier drinne!«
    Rebekka lehnte dankend ab und gab ihr Feuer.
    Â»Ich schreibe neben meinen Artikeln auch Autorenporträts.«
    Â»Ach so?«, fragte Frau Mischke beiläufig, und Rebekka spürte, dass ihr Gegenüber diese Information so interessant fand wie die aktuellen Börsenkurse.
    Â»Anneliese Otto…«, Rebekka sah kein Zeichen des Erkennens hinter der braunen Make-up-Maske. »Sagt Ihnen der Name Otto etwas?«
    Â»Ick kenn nur Otto Waalkes.« Wieder das rasselnde Lachen, bei dem sich Frau Mischke nun am Qualm der Zigarette verschluckte. »Wieso? Watt wolln’sen da wissen?«
    Â»Sie hat hier in Hellersdorf mit ihrer Familie gelebt. Mit Mann und vier Kindern.«
    Â»Warte mal!«
    Frau Mischke erhob sich schwerfällig, die Kippe nun im Mundwinkel wie ein Bauarbeiter.
    Es fehlt nur noch die Bierflasche, die sie mit den Zähnen öffnet .
    Rebekka lehnte sich entspannt zurück und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.
    Unter einer Plane kamen graue Aktenschränke zum Vorschein.
    Â»Ditt iss jetze.«
    Rebekka verstand, dass es sich hier um die aktuellen Unterlagen handelte.
    Â»Nehman iss früher.«
    Rebekka verstand, dass sich das Archiv in greifbarer Nähe befand.
    Â»Die Akten sinn alle uffn Bezirksamt. Aba irjendeena hat imma den Spleen weiterjeführt, für jeden Hosenscheißer ooch hier ’ne Karteikarte anzulegen. Und dett trotz Computer.«
    Frau Mischke atmete schwer, war aber voll im Ermittlungsfieber.
    Â»Hatte die alle Kinder hier?«
    Â»Ich weiß nur von einem, Nils Otto.«
    Â»Und wann war ditte?«
    Rebekka konnte nur schätzen. »Die waren zu viert. Der Erste müsste so um die 1971, 1972 herum hier gewesen sein, der Letzte etwa 1979, 1980.«
    Die Kippe im Mundwinkel begann Frau Mischke, die Hängeordner durchzugehen. Einer plötzlichen Eingebung folgend hob sie den rechten Zeigefinger. »Waren dett die mit die durchjeknallte Mutter? Hat die sich nichn Strick jenomm?«
    Rebekka versuchte, sich von ihrer inneren Aufregung nichts anmerken zu lassen.
    Â»Anneliese Otto ist früh gestorben, das stimmt.«
    Â»Hier, eener von die!«, unterbrach sie Frau Mischke, enthusiastisch eine vergilbte Karteikarte in der Luft schwenkend. »Jenau der Nils Otto, den Sie suchn. Ditt typische Kind von so ne Künstlafamilie.«
    Ihre Zigarette war fast zu Ende geraucht. Frau Mischke nahm den Filter vorsichtig zwischen Zeigefinger und Daumen und spreizte dabei den kleinen Finger ab. Die letzten beiden Züge bis zum Filter sog sie

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