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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Sillitoe
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Heckenwegen um die Ecke, ohne es zu merken, springe über Bäche, ohne zu merken, daß welche da sind, und rufe dem frühen Melker guten Morgen zu, ohne ihn zu sehn. Das macht richtig Spaß, als Langstreckenläufer allein draußen, und keine Seele da, die dir die Laune verdirbt oder sagt, du sollst was machen oder da ist ein Stück rein von der nächsten Straße ein Laden zu knacken. Manchmal denk ich, ich bin noch nie so frei gewesen wie in den beiden Stunden, wenn ich den Weg draußen vor den Toren lang trotte und bei der laublosen breitbauchigen Eiche am Ende des Heckenwegs wende. Alles ist tot, aber gut, weil's tot ist, bevor's lebendig wird, und nicht tot ist, nachdem's lebendig war. So seh ich die Sache. Wohlgemerkt, zuerst bin ich oft wie starr vor Kälte. Hände und Füße und den Körper spür ich überhaupt nicht, als wäre ich ein Geist, der gar nicht weiß, daß die Erde unter ihm ist, wenn er sie nicht ab und zu durch den Nebel sah. Aber auch wenn einige Leute den Schmerz von der Kälte als Marter bezeichnen würden, wenn sie der Mama was davon schreiben, bezeichne ich ihn nicht so, weil ich weiß, daß ich in einer halben Stunde warm bin, daß ich zu dem Zeitpunkt, wo ich auf die Hauptstraße komme und bei der Bushaltestelle auf den Weg am Weizenfeld lang einbiege, so heiß bin wie ein dickbäuchiger Ofen und so beschwingt wie ein Hund mit einer Blechbüchse am Schwanz.

    Das ist ein schönes Leben, sag ich mir immer, wenn du dich von den Bullen und Borstal-Bossen und den übrigen schuftsfratzigen braven Bürgern nicht kleinkriegen läßt. Trabtrabtrab, pochpochpoch; schlappschlappschlapp, so machen die Füße auf dem harten Boden. Swischswischswisch, wenn ich mit den Armen und mit der Seite die kahlen Zweige eines Strauches streife. Denn jetzt bin ich siebzehn, und wenn sie mich hier rauslassen - falls ich nicht ausbreche und zusehe, daß es anders kommt -, werden sie mich ins Militär stecken wollen, und was ist schon der Unterschied zwischen dem Militär und dem hier, wo ich jetzt bin? Die können mir nichts vormachen, die Saftsäcke, die. Ich hab die Kasernen bei uns zu Hause gesehn, und wenn davor keine Muschkoten mit Knarre Posten stehn würden, würde man keinen Unterschied erkennen zwischen den hohen Mauern dort und der Anstalt hier, wo ich jetzt bin. Wenn auch die Muschkoten jede Woche gelegentlich auf ein Glas Bier raus können, was ist das schon! Komm ich nicht dreimal die Woche früh zum Langstreckenlauf raus, was fünfzigmal besser ist als saufen! Wie sie das erstemal sagten, ich soll mein Lauftraining ohne Wächter machen, der auf dem Fahrrad neben mir her strampelt, hab ich's nicht geglaubt; aber sie nennen das hier eine fortschrittliche, moderne Anstalt, obwohl sie mir ja nichts vormachen können, denn ich weiß, die ist genau wie jedes andere Borstal, wenn ich danach geh, was ich so gehört hab, bloß daß sie mich so frei herumtraben lassen. Ein Borstal ist ein Borstal, egal, was sie machen; aber jedenfalls hab ich darüber gestöhnt, daß es doch ziemlich happig sei, mich so früh mit leerem Magen rauszuschicken und fünf Meilen laufen zu lassen, bis sie mir eingeredet haben, daß es nicht so schlecht ist - was mir die ganze Zeit schon klar war -, bis sie mich einen anständigen Kerl nannten und mir auf die Schulter klopften, als ich sagte, ich mach's schon, und daß ich versuchen will, für sie den Borstal-Preispokal mit Blauem Band für Langstreckengeländelauf (Landesmeisterschaft) zu gewinnen. Und nun redet der Direktor auf seinem Rundgang mit mir fast so, wie er mit seinem sieggewohnten Rennpferd reden würde, wenn er eins hätte.

    »Alles in Ordnung, Smith?« fragte er.

    »Ja, Sir«, antwortete ich.

      Er streicht sich mit kurzem Schwung über den grauen Schnurrbart. »Wie geht's mit dem Laufen voran?«

      »Ich hab mir vorgenommen, nach dem Essen immer ein paar Runden auf dem Gelände zu drehen, um in Form zu bleiben, Sir«, erzähl ich ihm.

      Darüber freut sich der glucksbäuchige, glotzäugige Dreckskerl. »Gut der Mann, ich weiß, du holst uns den Pokal«, sagt er.

    Und ich fluche im stillen:›Einen Scheißdreck werd ich dir!‹Nein, ich hol ihnen den Pokal nicht, und wenn der dämliche schnauzerschniegelnde Saftsack auch seine ganze Hoffnung auf mich setzt. Denn was interessiert mich schon seine blödsinnige Hoffnung? frag ich mich. Trabtrabtrab, schlappschlappschlapp, über den Fluß und in den Wald, wo es fast finster ist und mir taufrostige Zweige in die

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