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Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung.

Titel: Die Einsamkeit des Langstreckenläufers. Erzählung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Sillitoe
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Welt fühle, bringt mich noch nicht zum Wimmern. Ich fühl mich dabei fünfzigmal besser, als wenn ich mit dreihundert andren in diesem Schlafsaal eingepfercht bin. Nein, nur manchmal, wenn ich mir wie der letzte Mensch auf der Welt vorkomme, da fühl ich mich nicht so gut. Ich komme mir wie der letzte Mensch auf der Welt vor, weil mir so ist, als wären die ganzen dreihundert Schläfer hinter mir tot. Die schlafen so fest, daß ich denke, alle Lauseköppe sind letzte Nacht abgekratzt und ich bin als einziger übrig, und wenn ich so auf die Büsche und zugefrorenen Teiche schaue, hab ich das Gefühl, daß es immer kälter wird, bis alles, was ich seh, und da meine ich auch meine roten Arme, von tausend Meilen dickem Eis bedeckt ist, die ganze Erde bis rauf zum Himmel und jedes Stückchen Land und Meer. Da versuch ich dann, dieses Gefühl zu verscheuchen und so zu tun, als sei ich der erste Mensch auf der Welt. Und da wird mir wohler, so daß ich, wie ich nur Dampf genug aufgedreht hab, um dieses Gefühl in mir zu spüren, einen weiten Satz aus dem Tor mache und lostrabe.

    Ich bin in Essex. Das soll ein gutes Borstal sein, wenigstens hat das der Direktor zu mir gesagt, als ich von Nottingham hierherkam. »Wir wollen dir vertrauen, solange du in dieser Anstalt bist«, sagte er und strich dabei mit lilienweißen Nichtstuerhänden die Zeitung glatt, während ich die großen Wörter verkehrt rum las: Daily Telegraph. »Wenn du uns gute Bälle servierst, werden wir dir auch gute Bälle servieren.« (Wirklich, man hätte denken können, hier soll Tennis gespielt werden.) »Wir brauchen harte, ehrliche Arbeit, und wir brauchen gute Leistungen im Sport«, sagte er noch. »Und wenn du uns das beides gibst, kannst du versichert sein, daß wir dich anständig behandeln und als ehrlichen Menschen ins Leben zurückschicken werden.« Na, ich hätte mich kaputtlachen können, noch dazu, wo ich gleich drauf die bellende Oberfeldwebelstimme mir und noch zweien kommandieren höre, Stillgestanden! und Abmarsch!, als wären wir die Grenadierwache. Und wie der Direktor immerfort von›wir‹sprach:›wir‹wollen, daß du dies machst, und›wir‹wollen, daß du jenes machst, da hab ich mich nach den anderen Kerlen umgeschaut und mich gefragt, wie viele es von denen bloß gibt. Ich weiß natürlich, daß es Tausende von denen gibt, aber soviel ich sah, war bloß einer im Zimmer. Und es gibt Tausende von denen, im ganzen pestbeuligen Land, in Geschäften, Büros, auf Bahnhöfen, in Autos, Häusern, Kneipen - brave Geachtete wie ihr und sie, alle auf der Lauer nach Geächteten wie mir und uns - und die warten bloß darauf, daß sie die Polente anrufen können, sobald wir einen falschen Zug machen. Und das wird immer so sein, das sag ich euch jetzt, weil ich noch nicht alle meine falschen Züge hinter mir habe, und ich werde sie erst hinter mir haben, wenn ich abkratze. Wenn die braven Geachteten darauf hoffen, daß sie's mir abgewöhnen, einen falschen Zug zu machen, da vergeuden sie nur ihre Zeit. Da können sie mich genausogut gleich an die Wand stellen und mit zwölf Knarren losballern. Das ist die einzige Art und Weise, wie sie es mir und ein paar Millionen anderen abgewöhnen können. Weil ich nämlich ziemlich viel nachgedacht hab, seit ich hier bin. Den ganzen Tag können sie uns nachspionieren, um zu sehn, ob wir uns zusammenreißen und gut arbeiten und unsern›Sport‹treiben, aber unser innerstes Wesen können sie doch nicht röntgen, um rauszufinden, was sich da abspielt. Ich hab mir die ganze Zeit die verschiedensten Fragen vorgelegt und über mein bisheriges Leben nachgedacht. Und das tu ich nämlich gern. Das macht richtig Spaß. Da vergeht die Zeit schneller, und das Borstal wirkt dann nicht halb so schlecht, wie die Jungs auf unserer Straße immer gesagt haben. Und dieser Fez mit dem Langstreckenlauf ist das Beste dran, weil ich dabei so gut nachdenken kann, daß ich alles besser begreife als abends im Bett. Und außerdem werde ich beim vielen Nachdenken, wenn ich laufe, noch einer der besten Läufer in dem Borstal. Meine Fünfmeilenrunde lauf ich besser als jeder andre, den ich kenne.

    Sobald ich mir also sage, ich bin der erste Mensch, der je auf die Erde geschneit kam, und sobald ich jenen ersten weiten Satz raus in das frostige Gras des frühen Morgens mache, wenn sich sogar die Vögel nicht traun zu pfeifen, fang ich an nachzudenken, und das mach ich gern. Meine Runden dreh ich im Traum, biege bei Fußsteigen und

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