Die Eiskrieger
Ruck – lief es auf. Weit hob sich die hölzerne Galionsfigur aus dem Wasser. Buruna verlor den Halt. Während sie über das plötzlich schräg stehende Deck rutschte, hielt sie das Schwert fest und konnte deshalb nicht verhindern, dass sie mit dem Kopf hart gegen die Heckaufbauten schlug.
Die Leoniter, die sich am Mast oder an den Tauen festgeklammert hatten, standen unverhofft einer Riesenspinne gegenüber, die sich vollends an Bord zog und deren Gliedmaßen das aufgerollte Segel zerfetzten. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne färbten den Himmel gülden. In den Fluten des Sarro spiegelte sich das grausige Geschehen.
Wieder wurde ein Krieger das Opfer der gierig ausgestreckten Klauen.
Mit dem Schwert in der Hand versuchte Buruna, sich der Bestie zu nähern. Aber sie glitt auf den verschmierten Planken aus. Ein dichtbehaartes Beinpaar beendete ihren erneuten Sturz. Ehe die Frau es sich versah, hatte sie die Klinge verloren. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie konnte weder schreien noch sich gegen das, was unweigerlich folgen musste, zur Wehr setzen. Lamir versuchte, ihr zu Hilfe zu kommen, aber eine einzige Bewegung des Ungeheuers schleuderte ihn kopfüber in den Fluss .
Tückisch glotzende Augen starrten Buruna an. Langsam näherten sich ihr die Beißzangen.
Mythor! – Würde er je erfahren, welch unrühmliches Ende sie gefunden hatte, als sie versuchte, ihn wiederzusehen?
*
Das Glühen vor uns wurde stärker. Wir ritten unmittelbar darauf zu.
Je näher wir kamen, desto deutlicher fühlte ich, dass etwas unsagbar Böses auf uns wartete. Selbst die zotteligen Mammuts schienen davor zurück zu schrecken. Aber die Priester trieben sie unnachgiebig weiter. Mein Rappe scheute; es fiel mir schwer, ihn zu zügeln.
Die Spuren der Verwüstung um uns her wurden schlimmer. Das Erdreich war wie mit einer riesigen Pflugschar aufgewühlt, und sämtliche Bäume im Umkreis waren entwurzelt und verkohlt. Der Schnitter musste mit einer feurigen Sense über sie hinweggefegt sein.
Das irrlichternde Wabern schien von einem riesigen Felsblock auszugehen, der tief im Boden steckte. Ringsum war die Erde kraterförmig aufgeworfen, und im Innern der so entstandenen Senke brodelte und zischte es. Fontänen heißen Wassers stiegen senkrecht in die Höhe und fielen als feiner Schleier zurück. Bald waren wir alle bis auf die Haut durchnässt .
»Ein Himmelsstein«, murmelte jemand neben mir.
Ich konnte nur nicken, sagte nichts dazu. Nie hatte ich am Himmel über dem Inselteil Tainnias die glühende Spur eines fallenden Steines gesehen, wohl aber über dem Festland, wo es oft vorkam, dass die Dämonen in ihrem Zorn Felsen von der Größe eines ganzen Hauses auf die Menschen herabschmetterten.
Drudin ritt auf dem Rand des Kraterwalles, das Gesicht hinter der Maske unablässig dem Mittelpunkt der Senke zugewandt.
Plötzlich hielt er inne. Sein Rufen verhallte im Brausen eines erneuten Wasserausbruchs.
»Cherzoon«, verstand ich, »nimm die Kräfte…«
Eine Feuersäule wuchs vor uns auf, mindestens fünf Mannslängen messend. Wie erstarrt saß Drudin auf seinem Pferd. Etwas unbeschreiblich Düsteres schien ihn zu umfangen.
Dann endete die Eruption. Aber noch während die letzten Funken erloschen, begann eine undurchdringliche Schwärze den Krater auszufüllen, die sich zusammenballte und wie ein Blitz vor dem Priester einschlug. Gebannt blickte ich auf das Schauspiel, das sich mir bot. Drudin verschwand vor meinen Augen, als hätte er nie existiert. An seiner Stelle gähnte ein Nichts, das mit menschlichen Sinnen keinesfalls zu erfassen war. Ein Heulen hob an, gleich dem Klagen verdammter Seelen. Der Sturm, der mit einemmal über das Land fegte, wirbelte Staub und Asche auf. Die Sonne verdunkelte ihr Angesicht. Quälende Schmerzen ließen mich zusammenzucken; mein Schädel schien bersten zu wollen unter dem Anprall entfesselter Gewalten.
So schnell, wie die Schwärze gekommen war, so schnell schwand sie auch wieder. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Drudin sie in sich aufsog. Gleichzeitig mit diesem Vorgang erlosch das Glühen im Krater.
Hatte der Himmelsstein Kräfte geborgen, die auf den Priester übergegangen waren? Schwarze Magie? Ich wusste es nicht. Nur ein Gedanke beschäftigte mich unablässig: In welcher Beziehung stand der Schwarzstein zu Drudin, der nun wieder auf uns zuritt und sein Pferd erst unmittelbar neben dem Wagen zügelte?
*
So nahe wie nie zuvor sah Buruna ihr Ende vor
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