Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eiskrieger

Die Eiskrieger

Titel: Die Eiskrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
riesigen Eisberg vor sich. Gigantisch in seinen Ausmaßen, drohend und verlockend zugleich, von überwältigender Schönheit, doch von Bösem beseelt, dessen Ursprung einzig und allein in der Schattenzone liegen konnte.
    Unendlich langsam trieben die Schiffe darauf zu. Jeden Moment erwartete Buruna den vernichtenden Aufprall, wenn die unter der Meeresoberfläche verborgenen Schroffen den hölzernen Rumpf aufschlitzten.
    Aber nichts dergleichen geschah. Lediglich einige Ruder zersplitterten.
    Ein Glitzern lag auf der See, wie von einem unüberschaubaren Schwarm winziger Leuchtfische. In immer neuen Bildern spiegelten sich die Grate und Zinnen des Eisbergs gleich einer unausgesprochenen, unwiderstehlichen Aufforderung. Raureif begann sich auf den Tauen und in der Takelage niederzuschlagen, Schnee wehte über das Deck, zauberte den Kriegern weiße Barte und ließ ihren Atem gefrieren. Es wurde bitter kalt. Nur im Heck des Schiffes gab es eine Zone, in der die Elemente jegliche Kraft verloren. Dort stand Tilgran und blickte auf das Schauspiel der vorüberziehenden Scholle.
    Was da schwarz und nur undeutlich erkennbar inmitten der funkelnden Pracht ruhte, das waren…
    »… Menschen!« stammelte Buruna ergriffen.
    Krieger, die ihre Schwerter in den Händen hielten, Äxte, Speere und Armbrüste – regungslos, zu Eis erstarrt. Eine Kraft schien von ihnen auszugehen, die vielfachen Tod verhieß, als läge dieses Heer nur in tiefem, traumlosem Schlaf, darauf wartend, dass eine unheimliche Macht jeden einzelnen weckte und in den Kampf schickte.
    »Sie sind nicht tot«, kam es Lamir schwerfällig über die Lippen.
    »Eiskrieger!« sagte Buruna. »Sieh, die ersten Rukorer gehen von Bord.«
    Die Männer, auf die ihr zitternder Arm wies, verließen mit eckigen, ungelenk wirkenden Bewegungen das Schiff. Wo immer sie ihren Fuß auf den Eisberg setzten, erstarrten sie zu völliger Bewegungslosigkeit und wurden innerhalb eines einzigen erschreckten Herzschlags von schnell aufwachsenden Kristallen eingeschlossen. Sie erstickten – erfroren, die Münder zum Schrei weit aufgerissen, einen Ausdruck unsagbaren Entsetzens in den Augen.
    »Das also ist die Scholle«, murmelte Lamir tonlos. »Ein gigantisches, von den Mächten der Finsternis geborenes Schiff. Eis, das selbst in den warmen Strömungen des Ozeans nicht schmilzt, sondern turmhoch anwächst. Wie groß muss die Zahl der Krieger sein, die es in seinem Innern birgt?«
    »Die Macht der Schwarzen Magie scheint unüberwindlich.«
    Immer stärker wurde das Verlangen, ebenfalls den Dreimaster zu verlassen. Buruna tat einen Schritt, einen kleinen, wie sie meinte, um den auf ihr lastenden Drang abzuschütteln. Als sie stehenblieb, zogen Wellen des Unwohlseins durch ihren Körper. Dadjar lief an ihr vorbei, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Sein Blick war unverwandt geradeaus gerichtet; im Schwarz seiner Augen zeigte sich nur das Abbild des Eisbergs. Er hörte nicht, dass Buruna ihn rief, schwang sich von Bord wie all die anderen vor ihm.
    Selbst Lamir war nicht mehr zurückzuhalten. Ihn schreckte nicht das Rot des Meeres, das wie das Blut der Männer war, die ihr Leben für das Böse gaben, ohne sich dagegen zur Wehr zu setzen. Unwirklich verzerrt glotzte ihm sein Antlitz aus dem Eis entgegen – Spiegelbild seiner und Ausdruck der Macht, die die Dämonen über ihn gewannen.
    Auch Buruna verließ das Schiff. Sie spürte die Kälte, die in jede Faser ihres Körpers eindrang, aber sie wurde nicht von den noch immer wachsenden Eiskristallen eingeschlossen. Der Barde blieb ebenfalls verschont. Ohne es eigentlich zu wollen, schlug Lamir die Laute. Eine Saite splitterte wie Glas – ihr Klang verhallte ungehört in der Weite des Ozeans.
    *
    Der Gipfel des Eises ward ihm zum Thron, von hier aus erstrahlte seine Magie bis weit in den Norden. Der Schwarzstein ruhte inmitten funkelnder Kristalle; an seiner Seite stand Drudin und gebot den Nebeln, die die Scholle einhüllten und vor manchem Schiff verbargen, das in der Ferne vorüberzog.
    Tausend Gesichter zeigte der Opferstein von stong-nil-lumen, Gesichter, die Cherzoon geraubt hatte.
    »Die Krieger von Rukor haben ihre Schiffe verlassen«, verkündete der Dämon. »Nun vermag ich meinen Brüdern im Süden Beistand zu leisten. Gemeinsam wollen wir es schaffen, die ewige Stadt zu stürzen.«
    »Aber es werden viele Monde vergehen, bevor wir zurückkehren«, wandte Drudin ein. »Die Gefahr besteht, dass die Völker deines Reiches unsere Abwesenheit

Weitere Kostenlose Bücher