Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
Vom Netzwerk:
Test gemacht und dazu die äußere Gewebeschicht abgetragen. Die Zellkernuntersuchung ergab eine saubere Sequenz. Und die versetzte alle in helle Aufregung.»
    Nach einer langen Pause schlug Grove vor: «Wir sollten uns treffen und die Mumie gemeinsam in Augenschein nehmen.»
    Maura stockte für einen Moment der Atem. Sie konnte nicht glauben, was hier geschah. Zum Teufel mit der paläolithischen Diät – mit dieser Geschichte würde sie den verdammten Pulitzerpreis gewinnen! Doch ihre Begeisterung wurde von einem plötzlichen Zweifel gedämpft. Etwas an der Stimme des Profilers verunsicherte sie. Dieser Grove klang irgendwie seltsam. Er sagte die richtigen Sätze, aber der Ton in seiner Stimme war falsch. Er sprach verhalten; sie glaubte sogar ein wenig Traurigkeit aus seinem Tonfall herauszuhören. Maura fragte sich, ob Grove der richtige Mann für dieses wunderbare, einmalige Projekt war. Doch die Gelegenheit war zu gut, um sie ungenutzt zu lassen. So schob sie die Zweifel schnell beiseite und sagte: «Phantastisch. Wann und wo treffen wir uns?»
     
     
    Am folgenden Montag, dem 5. Mai, wartete Maura County in der Lobby des Heinrich-Schliemann-Gebäudes, das an der nordwestlichen Ecke des Campus das archäologische Labor der Universität beherbergte. Der Mai ist eine milde Jahreszeit in Alaska. Es war ein klarer Tag, und das Oberlicht brach die Strahlen der grellen Gebirgssonne, sodass sie wie gelbe Flammen auf dem Teppichboden spielten.
    Maura drückte ihre dritte Zigarette in einem der Standaschenbecher neben den Glastüren aus. Dann ging sie weiter ungeduldig auf und ab. Es war fast drei Uhr, und Grove hätte schon längst da sein sollen. Sie zweifelte, ob es sich um eine ehrliche Verspätung handelte, oder ob sie eher auf seine Unlust zurückzuführen war. Der merkwürdige Unterton in der Stimme des Profilers wollte ihr einfach nicht aus dem Sinn gehen. Wahrscheinlich machte sie sich nur unnötig Gedanken. Für dieses Treffen hatte sie sich in einen – für sie ungewöhnlich formellen – Hosenanzug gekleidet. Sogar ihre Haare hatte sie straff nach hinten gebürstet und hochgesteckt. Sie kam sich in dieser konservativen Aufmachung albern vor. Doch sie wollte einen guten Eindruck auf Ulysses Grove machen. Sie wusste schließlich nicht, was für einen Mann sie zu erwarten hatte.
    Dem Klang seiner Telefonstimme nach zu urteilen, hatte sie vermutet, es mit einem nicht mehr ganz jungen, weißen Mann zu tun zu haben, vermutlich aus dem Mittleren Westen. Er hatte einen freundlichen Umgangston, etwas zurückhaltend vielleicht, und seine Stimme flößte Vertrauen ein. Aber Ulysses, was war das für ein Name? Er klang nach Adel, pompös, wahrscheinlich aus einer alten Südstaatenfamilie, doch seine Sprache verriet seine Herkunft nicht. Vielleicht war er einer dieser aalglatten neuen Karrieretypen. Maura kannte diese Sorte arroganter Bürokraten aus der akademischen Welt nur allzu gut. Aber das hier war ihre Show. Ihre Idee, ihr Artikel und ihre Zeitschrift. Sie würde sich nicht von einem großspurigen, mittelalten, weißen Arsch vom FBI herumschubsen lassen.
    Als Maura ihre vierte Zigarette ausdrückte, betrat ein hoch gewachsener Mann die Lobby durch die gläserne Drehtür. Sie drehte sich herum und ging ihm entgegen.
    «Special Agent Grove?»
    «Miss County?», fragte der Mann mit einem flüchtigen Lächeln und streckte ihr die Hand entgegen.
    «Maura, bitte nennen Sie mich Maura», sagte sie und erwiderte seinen Händedruck. Für den Bruchteil einer Sekunde musste sie den Blick abwenden, damit sie ihn nicht unverhohlen anstarrte. Es war nicht seine schwarze Haut (obwohl diese dazu beitrug). Es lag auch nicht an seiner Eleganz oder Gewandtheit. Was sie für einen kurzen Moment starren ließ, war die Abwesenheit jedweder List in seinem Gesicht. Dieser Mann war das Gegenteil eines smarten Bürokraten. Er sah aus wie ein Besucher aus einer anderen Zeit, ein politischer Mensch oder ein Dichter aus dem 19. Jahrhundert. Seine dunklen Augen verströmten Leidenschaft.
    «Also dann – Maura», sagte er. «Ich heiße Ulysses.»
    «In Ordnung», sagte sie. «Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie den weiten Weg hier heraufgekommen sind.»
    «Ich hoffe nur, dass ich von Nutzen sein kann.»
    «Vor uns liegt eine spannende Aufgabe. Wie war der Flug?»
    «Ich hatte ein paar Probleme mit den Anschlüssen. Und der Flug mit der Turboprop-Maschine von Anchorage war nicht sehr angenehm.»
    Maura grinste. «Willkommen in

Weitere Kostenlose Bücher