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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
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schwadronierte Mathis, als sie durch das voll besetzte Labor marschierten. Ein halbes Dutzend Forscher in weißen Kitteln drängte sich um Elektronenmikroskope, Computer und Tische, die mit Felsproben beladen waren. «Wir können hier Altersbestimmungen mit der Radiokarbon- ebenso wie mit der Lumineszenz-Methode vornehmen, durch Isotopenanalyse und Fluoreszenz-Spektrometrie», fuhr sie fort. «Außerdem können wir zerstörungsfreie Gamma-Analysen durchführen, was wir bereits an den Zähnen und dem Knochengewebe unseres Fundes getan haben, und natürlich DNA-Analysen.»
    Schließlich erreichten sie eine schwere Metalltür, in deren linker Seite in ganzer Länge eine schmale Scheibe Sicherheitsglas eingelassen war. Auf einem Schild über dem Türsturz stand: VORSICHT – ENTHÄLT ORGANISCHES MATERIAL – UNBERECHTIGTE HABEN KEINEN ZUTRITT.
    Grove sah durch das Gitterglas, konnte aber nicht viel mehr erkennen als einen schmalen Untersuchungsraum. In der Mitte stand etwas, das vielleicht Teil eines Tisches oder einer Bahre war. Er blickte hinüber zu Maura County, die einen Schritt nach hinten getreten war und jetzt mit schüchterner Miene hinter Okuda stand. Sie lächelte Grove nervös an. Grove lächelte zurück. Er mochte diese Frau. Sie strahlte eine erfrischende Ehrlichkeit aus.
    Mathis griff nach einem abschließbaren Metallbehälter, der neben der Tür angebracht war, drehte an ein paar Rädchen und öffnete den Deckel. Dann zog sie zwei versiegelte Päckchen aus dem Behälter. In einem war eine sterile Gesichtsmaske. In dem anderen befanden sich ein Paar Arzthandschuhe. Sie reichte Grove die Päckchen und deutete mit einem Kopfnicken darauf. «Sie haben vier Minuten, Mr. Grove», verkündete sie knapp.
    Die Tür öffnete sich zischend.
    Er holte tief Luft, stellte seinen Aktenkoffer ab, setzte die Maske auf, streifte die Handschuhe über und betrat den Raum.
     
     
    Er brauchte für seine Untersuchung keine vier Minuten. Er brauchte nicht einmal vier Sekunden. Ein einziger Blick auf den sechstausend Jahre alten Leichnam genügte. In diesem kurzen Moment veränderte sich alles. Vor Groves innerem Auge verschoben sich die Puzzleteile zu einer neuen, schrecklichen Kombination. Was er sah, ließ ihm einen eisigen Schauer den Rücken hinunterlaufen. Die Welt, wie er sie bisher gekannt hatte, hörte auf zu existieren. Er stand still und regungslos auf der Stelle.
    Die Mumie lag auf dem Untersuchungstisch in einem Kegel aus silbernem Licht. Eine breite Bahn Gaze war unter dem Körper ausgebreitet. Auch einem ungeschulten Auge erschloss sich gleich, dass es sich um einen sehr alten Leichnam handeln musste. Die Arm- und Beinknochen waren von einer Fleischschicht in der Farbe verbrannten Tabaks umgeben. Die Leiche war so gut konserviert, dass sogar die Augäpfel noch unversehrt waren. Zu Lebzeiten musste der Mann nach heutigen Maßstäben sehr klein gewesen sein – vielleicht nicht mehr als eins fünfzig groß. Er besaß den vorspringenden Kiefer des frühen Homo sapiens.
    Vor Groves Augen verschwamm der Raum in einem un-durchdringbaren Nebel. Er wollte sich irgendwo abstützen, fand aber keinen Halt. Er taumelte zur Seite. Dann hatte das gespenstische Schauspiel ein plötzliches Ende. Der Schwindelanfall war vorüber. Grove blinzelte und versuchte, seine Verblüffung in den Griff zu bekommen.
    Schließlich löste er den Blick langsam von der Mumie und wandte sich zur Tür.
    Der Riegel fuhr zurück, und Grove stolperte in den Vorraum. Beinahe wäre er Lorraine Mathis in die Arme gefallen. Die Wissenschaftlerin wich mit einem ungnädigen Gesichtsausdruck vor ihm zurück. Maura County zeigte als Einzige Mitgefühl. «Ulysses, mein Gott! Haben Sie ein Gespenst gesehen? Was ist denn los?»
    Grove holte tief Luft. Er musste ein erneutes Schwindelgefühl abwehren, bevor er sprechen konnte. «Die Computertomographie… der Sie entnommen haben, dass es sich um einen gewaltsamen Tod gehandelt hat.»
    Mathis sah ihn verständnislos an. «Was? Wovon sprechen Sie?»
    «Die Kernspintomographie, die Sie von der Mumie gemacht haben – »
    «Es war eigentlich nur eine Röntgenaufnahme», mischte sich Okuda ein. «Wir publizieren nächsten Monat eine Abhandlung darüber im Scientific American.»
    Grove sah den jungen Asiaten an. «Hat die Aufnahme eine Wunde durch einen scharfen Gegenstand am ersten Halswirbel gezeigt?»
    Okuda sah Grove ungläubig an. Dann blickte er zu Mathis hinüber, die ebenfalls mit versteinertem Blick zu dem

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