Die Eisprinzessin schläft
lange gesucht hatte. Daß sie Alex früher einmal gekannt hatte, war nur von Vorteil.
Als Mensch wand sie sich vor Unbehagen bei diesem Gedanken, aber die Autorin jubelte.
Der Pinsel setzte breite rote Striche auf die Leinwand. Seit dem Morgengrauen hatte er gemalt, und jetzt, nach Stunden, trat er das erste Mal einen Schritt zurück, um sich anzusehen, was er geschaffen hatte. Für ein ungeübtes Auge waren nur breite Felder in Rot, Orange und Gelb auszumachen, unregelmäßig angeordnet auf der großen Leinwand. Für ihn selbst bedeuteten sie Demütigung und Resignation, wiedererschaffen in den Farben der Leidenschaft.
Er malte stets mit denselben Farben. Die Vergangenheit schrie, verhöhnte ihn von der Leinwand, und sein Malen wurde immer frenetischer.
Nach einer weiteren Stunde kam er zu dem Schluß, daß er sich das erste Bier des Vormittags verdient hatte. Er nahm die Dose, die am nächsten stand, und ignorierte, daß er sie gestern abend irgendwann als Aschenbecher benutzt hatte. Aschenkrümel blieben ihm am Mund hängen, dennoch trank er gierig weiter von dem abgestandenen Bier und warf die Büchse auf den Boden, nachdem er den letzten Tropfen von den Lippen geleckt hatte.
Die Unterhose, mit der er lediglich bekleidet war, hatte an der Vorderseite gelbe Flecken von Bier oder eingetrocknetem Urin. Die fettigen Haare hingen ihm ein Stück auf die Schultern hinunter, und seine bleiche Brust war eingesunken. Das Gesamtbild von Anders Nilsson war das eines Wracks, aber das Gemälde, das auf seiner Staffelei stand, zeugte von einem Talent, das im scharfen Gegensatz zum Verfall des Künstlers stand.
Jetzt sank er auf den Boden und lehnte sich dem Bild gegenüber an die Wand. Neben ihm lag eine ungeöffnete Bierdose, und er genoß das puffende Geräusch beim Aufziehen des Verschlusses. Die Farben schrien ihm von der Leinwand entgegen und erinnerten ihn an das, was er hatte vergessen wollen. Den größten Teil seines Lebens hatte er genau darauf verwandt. Warum, zum Teufel, mußte sie jetzt alles kaputtmachen! Warum konnte sie die Sache nicht einfach so lassen, wie sie war? Die egoistische blöde Hure dachte nur an sich selber. Kühl und unschuldig wie eine verdammte Prinzessin. Aber er wußte genau, was unter der Oberfläche gärte. Sie beide waren aus einem Guß. Jahre der gemeinsamen Qual hatten sie geformt und zusammengeschweißt, und plötzlich glaubte sie, sie könne die Ordnung des Ganzen selbsttätig ändern.
»Scheiße.«
Er brüllte das Wort heraus und schleuderte die noch immer halbvolle Dose direkt in die Leinwand. Das Bild ging nicht kaputt, was ihn noch mehr reizte, es federte nur zurück, und die Bierbüchse fiel zu Boden. Die Flüssigkeit war über das Gemälde gespritzt, und Rot, Orange und Gelb fingen an zu zerlaufen und sich zu neuen Nuancen zu mischen. Er betrachtete zufrieden die Wirkung.
Nach dem gestrigen, rund um die Uhr dauernden Besäufnis war er immer noch nicht nüchtern, und das Bier zeigte schnell Wirkung trotz der hohen Alkoholverträglichkeit, die er sich durch jahrelanges hartes Training zugelegt hatte. Langsam glitt er in die wohlbekannten Nebel hinein, in der Nase den Geruch von altem Erbrochenem.
Sie hatte einen eigenen Schlüssel zur Wohnung. Im Flur trat sie sich ordentlich die Schuhe ab, obwohl sie wußte, daß es völlig sinnlos war. Draußen war es sauberer als drinnen. Sie stellte die Einkaufstüten ab und hängte ihren Mantel sorgfältig auf einen Bügel. Es hatte keinen Sinn zu rufen. Zu diesem Zeitpunkt war er vermutlich schon nicht mehr bei sich.
Die Küche lag links vom Flur und befand sich in ebenso erbärmlichem Zustand wie immer. Der Abwasch mehrerer Wochen stapelte sich nicht nur in der Spüle, sondern auf Tisch und Stühlen und sogar auf dem Boden. Kippen, Bierbüchsen und leere Flaschen standen und lagen überall herum.
Sie öffnete die Kühlschranktür, um die Lebensmittel hineinzustellen, und sah, daß es diesmal höchste Zeit war. Es herrschte gähnende Leere. Nachdem sie eine Weile herumhantiert hatte, war wieder alles gefüllt. Sie blieb einen Moment stehen, um Kraft zu sammeln.
Das hier war nur eine kleine Einzimmerwohnung, weshalb derselbe Raum als Wohn- und Schlafzimmer diente. Die wenigen Möbel, die es hier gab, hatte sie herbringen lassen, aber es war nicht sehr viel gewesen, was sie hatte beitragen können. Im Zimmer dominierte statt dessen die große Staffelei vor dem Fenster. In der einen Ecke lag eine schäbige Matratze auf dem
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