Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
August, als die Nacht die Insel schon einhüllte, schlenderte ich nach dem Essen auf dem Quai im Norden der Bucht umher. Das Wetter war trocken, der Himmel mit Sternen besäet, die Luft lebhaft bewegt und es herrschte eine fast schneidende Kälte. Unter diesen Umständen konnte dieser Spaziergang nicht weit ausgedehnt werden.
    Eine halbe Stunde später machte ich mich deshalb schon wieder nach dem »Grünen Cormoran« auf den Weg – da kreuzte meine Schritte eine Männergestalt, zauderte erst ein wenig, kehrte dann um und blieb vor mir stehen.
    Es war zu dunkel, als daß ich die Persönlichkeit gleich hätte erkennen können. Nach der so charakteristisch flüsternden Stimme zu urtheilen, konnte ich mich kaum täuschen, daß ich den Kapitän Len Guy vor mir hatte.
    »Herr Jeorling, begann er, morgen soll die Goëlette wieder unter Segel gehen… morgen früh… mit Eintritt der Ebbe…
    – Wozu nützt es, mir das mitzutheilen, da Sie sich ja doch weigern…
    – Ich habe mir die Sache überlegt, und wenn Sie nicht anderen Sinnes geworden sind, so stellen Sie sich morgen früh um sieben an Bord ein.
    – Wahrlich, Herr Kapitän, ich glaubte kaum, daß Sie auf diese Angelegenheit noch einmal zurückkommen würden.
    – Wie gesagt, ich habe mir’s noch einmal überlegt und kann auch hinzufügen, daß die »Halbrane« geraden Wegs nach Tristan d’Acunha gehen wird, was ja, wie ich annehme, Ihren Wünschen entspricht.
    – Vollkommen, Herr Kapitän. Morgen früh um sieben werd’ ich an Bord sein….
    – Wo Ihre Cabine bereit steht.
    – Was nun den Fahrpreis angeht… sagte ich.
    – O, das ordnen wir später, antwortete der Kapitän Len Guy, und jedenfalls zu Ihrer Zufriedenheit. Auf morgen also….
    – Auf Wiedersehen morgen!«
    Ich hatte dem sonderbaren Mann die Hand entgegengestreckt, um unser Abkommen zu bekräftigen. Jedenfalls bemerkte er das der Dunkelheit wegen nicht, denn er that nicht dasselbe, sondern entfernte sich raschen Schrittes nach seinem Boote zu, das ihn mit wenigen Ruderschlägen nach dem Schooner zurückbrachte.
    Ich war höchst erstaunt, und in nicht geringerem Grade auch Meister Atkins, als er nach meiner Rückkehr in den »Grünen Cormoran« von dem Vorgefallenen hörte.
    »Da haben wir’s! rief er. Der alte Fuchs, der Hurliguerly, hat doch Recht gehabt!… Das ändert natürlich nichts an der Thatsache, daß sein Teufel von Kapitän launenhaft wie ein schlecht erzogenes Mädchen ist. Wenn er seine Anschauung nur nicht im letzten Augenblicke noch einmal wechselt!«
    Das war ja gar nicht annehmbar, und bei weiterer Ueberlegung sagte ich mir, daß seine Handlungsweise weder von Phantasie noch von Laune dictiert sei. Zog der Kapitän Len Guy seine Weigerung zurück, so leitete ihn sicher ein gewisses Interesse zu dem Wunsche, mich als Passagier zu haben. Meiner Ansicht nach rührte dieser Sinneswechsel – ich wußte das, wie durch eine Art Offenbarung – von den Aeußerungen her, die ich über Connecticut und die Insel Nantucket hatte fallen lassen. Inwiefern das für ihn Interesse haben konnte, das mir zu erklären, überließ ich ruhig der Zukunft.
    Meine Vorbereitungen waren bald beendigt. Ich gehöre übrigens zu den praktischen Reisenden, die sich nicht mit Gepäckstücken überlasten, und würde eine Reise um die Erde mit einer Geldkatze an der Seite und einem Kofferchen in der Hand unternehmen. Meine hauptsächlichsten Effecten bestanden in den Pelzsachen, deren man bei Seefahrten durch die hohen Breiten nicht entrathen kann. Schon wenn man den südlichen Theil des Atlantischen Oceans bereist sind derartige Vorsichtsmaßregeln ein Gebot einfacher Klugheit.
    Am anderen Morgen, dem 15., verabschiedete ich mich schon vor Tagesanbruch von dem wackeren, würdigen Atkins. Ich hatte die Aufmerksamkeit und das Zuvorkommen meines Landsmannes nur zu loben, der sich nach den Desolationsinseln verbannt hatte, wo er mit den Seinigen im ganzen glücklich und zufrieden lebte. Der dienstfertige Gastwirth schien sich durch den Dank, den ich ihm aussprach, sehr geschmeichelt zu fühlen. In Vertretung meiner Interessen hatte er es nun eilig, mich an Bord zu wissen, da er noch immer fürchtete – so drückte er sich aus – daß der Kapitän seit gestern »seine Halsen gewechselt haben könne«. Er wiederholte mir das eindringlich und gestand zu, daß er in der Nacht mehrmals aus Fenster getreten sei, um sich zu überzeugen, daß die »Halbrane« noch inmitten des Hafenbeckens vor Anker liege. Von

Weitere Kostenlose Bücher