Die Eissphinx
abenteuerlustige Charaktere auf, die sich in ein solches Unternehmen stürzen wollen…
– Ja… abenteuerlustige!… murmelte der Kapitän Len Guy.
– Doch, halt, fuhr ich fort, die Vereinigten Staaten machen eben noch einen solchen Versuch und zwar mit dem Geschwader Charles Wilkes’, dem »Vancouver«, dem »Peacock«, der »Purpoise«, dem »Flying-Fish« und mehreren Begleitschiffen.
– Die Vereinigten Staaten, Herr Jeorling?… Sie behaupten, daß von der Bundesregierung eine Expedition nach den Antarktischen Meeren gesendet sei?
– Das ist Thatsache, und im vergangenen Jahre hörte ich, daß diese Expedition schon ausgelaufen sei. Jetzt ist seitdem ein Jahr verstrichen und es ist leicht möglich, daß der wagemuthige Wilkes schon weiter als andere Entdeckungsreisende vor ihm vorgedrungen wäre.«
Der Kapitän Len Guy war völlig stumm geworden und unterbrach sein unerklärliches Stillschweigen nur, um zu sagen:
»Sollte es Wilkes thatsächlich gelungen sein, den Polarkreis zu überschreiten und das Packeis zu durchbrechen, so wird er doch nicht höher hinaufdringen können…
– Als seine Vorgänger Bellingshausen, Forster, Kendall, Biscoe, Morrell, Kemps, Beleny… fiel ich ein.
– Und als… setzte der Kapitän Len Guy hinzu.
– Von wem wollen Sie noch sprechen?
– Sie sind aus Connecticut gebürtig, mein Herr? fragte er plötzlich.
– Aus Connecticut.
– Und dort woher?…
– Aus Providence.
– Keanen Sie die Insel Nantucket?
– Gewiß, von mehreren Besuchen derselben her.
– Dann wissen Sie, glaub’ ich, auch, sagte der Kapitän Len Guy, mir scharf ins Auge sehend, daß Ihr Romandichter Edgar Poe seinen Helden Arthur Gordon Pym von dort herstammen läßt.
– Richtig, antwortete ich, dessen erinnere ich mich, der Anfang dieses Romans spielt auf der Insel Nantucket.
– Sie sagen, dieses Romans?… Bedienten Sie sich wirklich des Wortes »Romans«?
– Ohne Zweifel, Herr Kapitän!
– Ja, ja… Sie reden eben wie alle Welt. Doch entschuldigen Sie, mein Herr, ich kann nicht länger verweilen… Ich bedauere… aufrichtig… Glauben Sie, wenn es mir möglich gewesen wäre… doch glauben Sie nicht, daß eine weitere Erwägung meine Entscheidung über Ihren Vorschlag zu ändern vermöchte. Uebrigens werden Sie nur wenige Tage zu warten brauchen. Jetzt beginnt hier die Saison, wo Handelsschiffe und Walfänger in Christmas-Harbour erscheinen, und Sie haben dann die Wahl, sich auf dem einen oder dem anderen einzuschiffen, gleichzeitig mit der Gewißheit, dahin befördert zu werden, wohin Sie es wünschen. Ich bedauere lebhaft… und empfehle mich Ihnen!«
Mit diesen Worten zog sich der Kapitän Len Guy zurück und das Gespräch endete also ganz anders als ich gefürchtet hatte – in ziemlich höflicher, wenn auch förmlicher Weise.
Da es zu nichts dient, sich gegen das Unmögliche aufzulehnen, gab ich die Hoffnung, mit der »Halbrane« zu fahren, auf, bewahrte aber meinen Groll gegen deren so wenig zuvorkommenden Kapitän. Ich will nur ehrlich zugestehen, daß meine Neugierde erwacht war. Ich witterte ein Geheimniß im Grunde dieser Seemannsseele und wäre gar zu gern dahinter gekommen. Die unerwartete Wendung bei unserem Gespräch, die so plötzliche Erwähnung des Namens Arthur Pym, die Fragen über die Insel Nantucket, die Wirkung meiner Mittheilung, daß zur Zeit unter der Führung Wilkes’ eine Forschungsreise nach dem südlichen Eismeere im Gange sei, seine Versicherung, daß kein amerikanischer Seemann weiter vordringen werde, als… Ja, von wem wollte der Kapitän Len Guy denn sprechen?… Alles das war doch geeignet, in mir ganz seltsame Gedanken zu erwecken.
Am nämlichen Tage erkundigte sich Meister Atkins noch, ob sich der Kapitän Len Guy etwas weniger abweisend gezeigt und mir vielleicht schon zugestanden habe, eine Cabine der Goëlette einzunehmen. Ich mußte dem Gastwirth erklären, daß ich mit meinen Verhandlungen nicht glücklicher als er gewesen sei, was ihn ziemlich stark überraschte. Er begriff die Halsstarrigkeit und Weigerung des Kapitäns nicht… wollte ihn gar nicht wiedererkennen. Woher mochte diese Veränderung kommen? Noch mehr persönlich berührte es ihn, daß der »Grüne Cormoran«, ganz entgegen der sonstigen Gepflogenheit während des Aufenthalts der »Halbrane«, weder von der Besatzung, noch von den Officieren besucht wurde. Es schien, als gehorchte die Mannschaft einem ausdrücklichen Befehle. Nur zwei-oder dreimal erschien der
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