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Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Das Spiel - Laymon, R: Spiel

Titel: Das Spiel - Laymon, R: Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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1
    Jane Kerry bemerkte den Umschlag auf dem Stuhl, als sie zu ihrem Schalter zurückkehrte. Sie hatte ihn nicht dorthin gelegt. Vielleicht war er vom Tisch gerutscht. Sie fragte sich, ob ihn jemand dort vergessen hatte, und ob sich etwas Wichtiges darin befand.
    Dann wollte Agnes Dixon ein halbes Dutzend Kriminalromane ausleihen, und Jane verschwendete keinen weiteren Gedanken an den Umschlag. Agnes war eine pensionierte Lehrerin und eine ihrer Stammkundinnen. Menschen wie sie hatten ihr geholfen, sich in ihrem neuen Job als Leiterin der Bibliothek von Donnerville einzuleben.
    Während sie sich flüsternd mit ihr unterhielt, kamen weitere Leute zum Schalter oder verließen die Bibliothek, die bald schließen würde.
    Der Umschlag.
    Jane schob die vergilbte Leihkarte in die Tasche im Einband des letzten Krimis, den Agnes auslieh – ein Roman von Dick Francis –, schlug das Buch zu und legte es zu den anderen auf den Stapel.
    »Das ist einer seiner besten Romane«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. Mit dem Hintern stieß sie gegen den Bürostuhl. Ohne sich umzudrehen, griff sie nach hinten, ertastete den Umschlag und hob ihn auf.
    »Hi«, sagte ein Teenager, der ihr irgendwie bekannt vorkam. »Kann ich das ausleihen?«

    »Na klar.«
    Er schob Jane ein aufgeschlagenes Buch und seine Bibliothekskarte hin. Sie nahm die Karte mit ihrer linken Hand entgegen und ihr Blick wanderte zu dem Umschlag in ihrer Rechten.
    In der Mitte war mit schwarzer Tinte ein Wort geschrieben:
    JANE
    Wer?
    Ich?
    Sie war verblüfft, aber auch ein wenig verängstigt.
    Was war da drin?
    Zumindest stand jetzt fest, dass niemand den Umschlag verloren hatte. Sie musste sich also nicht auf die Suche nach seinem Besitzer begeben.
    Jane warf den Umschlag zurück auf den Stuhl und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Wie immer versuchte sie, zu jedem ihrer Kunden besonders nett zu sein, um sie besser kennenzulernen. Jane wollte ihnen zeigen, dass sie jederzeit für sie da war.
    So musste sie wenigstens nicht dauernd an den geheimnisvollen Umschlag denken.
    Nur ab und zu spähte sie aus den Augenwinkeln hinüber und fragte sich, was er wohl enthielt.
    Eine Einladung? Eine Grußkarte? Vielleicht auch einen Liebesbrief oder ein Gedicht von einem heimlichen Verehrer?
    Eine Beschwerde?
    Oder etwa einen Hassbrief von jemandem, den ich ermahnt habe, in der Bibliothek ruhig zu sein?
    Möglich war alles. Sinnlos, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Sie musste bloß abwarten, bis der Letzte gegangen war, dann würde sie es schon herausfinden.

    »Ich hoffe, es gefällt dir«, sagte sie zu einem Mädchen mit Pferdeschwanz, »wir haben noch viele andere Bücher von diesem Autor.«
    Das Mädchen bedankte sich und ging zum Ausgang. Jane ließ den Blick über die übrigen Besucher schweifen. Immer noch ziemlich viele Leute. Sechs standen in der Schlange, ein Dutzend weitere verteilten sich über den Hauptlesesaal. Sie hatte keine Ahnung, wie viele sich im ersten Stock aufhielten. Zumindest konnte sie niemanden erkennen, der sich auffällig benahm.
    Derjenige, der den Umschlag hier hingelegt hat, wartet bestimmt darauf, dass ich ihn öffne.
    Na, hoffentlich sieht der Kerl gut aus.
    Nein, daran solltest du nicht mal denken, sagte sie sich. Sei lieber froh, wenn es kein Psychopath ist.
    Als Jane den letzten Kunden bedient hatte, waren nur noch wenige Besucher im Lesesaal. Jane kannte die meisten von ihnen – sie waren öfter hier. Alle waren mit irgendetwas beschäftigt. Don, ihre Hilfskraft, war dabei, herumliegende Bücher und Zeitschriften einzusammeln.
    Sie sah auf die Uhr.
    Zehn vor Neun.
    Sie nahm den Umschlag wieder in die Hand und hielt ihn auf Hüfthöhe, damit ihn der Schalter vor neugierigen Blicken verbarg. Dann drehte sie ihn um.
    Nichts. Nur das Wort JANE auf der Vorderseite.
    Der Umschlag war sauber und glatt.
    Und er war zugeklebt.
    Da er nicht besonders dick war, konnte er nicht mehr als ein oder zwei gefaltete Blätter enthalten.
    Sie riss eine Ecke auf, steckte ihren Zeigefinger in das kleine Loch und öffnete den Brief.

    Sie sah sich um. Niemand beobachtete sie.
    Im Umschlag lag ein gefaltetes Blatt Papier. Liniertes, gelochtes Papier von der Art, wie Schüler es für ihre Ordner verwendeten. Es war zweimal gefaltet. Auf der Innenseite konnte sie eine geschwungene Handschrift erkennen. Sie bemerkte ein weiteres Stück Papier, in dem etwas von der Größe eines Schecks oder einer Banknote steckte.
    Schickt mir jemand Geld?
    Plötzlich kam

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