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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ist wohl wahr, und unser Lieutenant gebraucht die Zunge noch weniger…
    – Das hab’ ich auch bemerkt! fiel ich ein.
    – …Thut aber nichts, Herr Jeorling, es sind doch zwei tüchtige Seeleute, das versichere ich Ihnen! Sie werden es bedauern, wenn Sie sich in Tristan d’Acunha ausschiffen….
    – Es freut mich, das von Ihnen zu hören, Hochbootsmann.
    – Und bei dem stehenden Südost, der uns in die Flanke bläst, sowie bei dem ruhigen Wasser, das sich nur etwas hebt, wenn es Pottfische oder Wale von unten her in Bewegung bringen, wird das nicht so lange dauern. Sie werden’s ja sehen. Herr Jeorling, daß wir kaum zehn Tage brauchen, um die dreizehnhundert Meilen von den Kerguelen bis zu den Prinz Eduard-Inseln zu verschlingen, und höchstens fünfzehn Tage für die zweitausenddreihundert Meilen, die die letzteren von Tristan d’Acunha trennen.
    – Solche Prophezeihungen sind unnütz, Hochbootsmann. Zunächst müßte die Witterung so bleiben, wie bisher, und wer lügen will, braucht nur das Wetter vorherzusagen… Das ist ein altes Seemannssprichwort, das man nie vergessen soll!«
    Diesmal traf die Vorhersage ein: das Wetter blieb beständig. Am Nachmittage des 18. August meldete die Wache unter 42 Grad 59 Minuten südlicher Breite und 47 Grad östlicher Länge vor Steuerbord die Bergspitzen der Crozetgruppe, deren Gipfel zwischen sechs-bis siebenhundert Toisen (1170 bis 1365 Meter) über das Meer aufsteigen.
    Am nächsten Tage ließen wir die, nur während der Fangzeit besuchten Inseln Possession und Schveine an Backbord liegen. Zur Zeit hatten diese als einzige Bewohner nur eine Menge von Vögeln, Heerden von Pinguinen, große Völker von Chionis, die ähnlich wie die Tauben fliegen und von den Walfängern deshalb »White-pigeons« (Weiße Tauben) genannt worden sind. Ueber den phantastischen Schluchten des Crozetberges drängten sich in mächtigen, runzligen Massen die Gletscherströme hinab, und noch einige Stunden lang konnte ich die Umrisse des Berges erkennen. Dann verschwamm alles zu einem weißlichen Scheine, der sich am Horizonte hinzog und über den nur noch die schneebedeckten Gipfel der Gruppe emporragten.
    Die Annäherung eines Landes hat immer ein besonderes Interesse. Mir kam da gelegentlich der Gedanke, daß der Kapitän Len Guy jetzt vielleicht das gegen seinen Fahrgast beobachtete Schweigen brechen würde. Er that es aber nicht.
    Bewahrheiteten sich die Prophezeihungen des Hochbootsmanns, so konnten kaum drei Tage verstreichen, bis die Bergspitzen der Marion-und der Prinz Eduard-Insel im Nordwesten auftauchten, an denen übrigens nicht angelegt werden sollte. Erst bei Tristan d’Acunha wollte die »Halbrane« ihren Wasservorrath erneuern.
    Ich erwartete also, daß die Einförmigkeit unserer Fahrt bis dahin von keinerlei Zwischenfall unterbrochen werden würde. Am Morgen des 20. aber, als Jem West nach der ersten Beobachtung des Stundenwinkels eben die Wache hatte, erschien zu meiner größten Verwunderung der Kapitän Len Guy auf dem Verdeck, ging längs des Deckhauses hin und stellte sich auf dem Hintertheile vor das Compaßhäuschen, dessen Scheibe er – wohl mehr aus Gewohnheit, als weil es jetzt gerade nöthig gewesen wäre – beobachtete.
    Ich saß dicht am Hackbord, und wenn ich auch nicht sagen kann, ob der Kapitän mich bemerkt hatte oder nicht, so erregte doch meine Anwesenheit seine Aufmerksamkeit jedenfalls in keiner Weise.
    Ich war entschlossen, mich um ihn nicht mehr zu bekümmern, als er es mir gegenüber that, und blieb also ruhig am Barkholz gelehnt.
    Der Kapitän Len Guy machte einige Schritte, beugte sich über die Schanzkleidung hinaus und betrachtete den langen seinen Streifen Kielwasser, den die schlank gebaute und schnell dahingleitende Goëlette wie ein Band seiner Spitzen nach sich zog.
    Hier konnte man nur von einer einzigen Person gehört werden – von dem Manne am Ruder – jetzt dem Matrosen Stern – der, die Hand an den Griffen des Steuerrades, die »Halbrane« immer in den richtigen Curs zurückbrachte, wenn sie, wie auf hohem Meer häufig, etwas davon abwich.
    Immerhin schien es, als ob der Kapitän Len Guy darauf nicht im mindesten achtete, denn plötzlich näherte er sich mir und begann, wie immer mit Flüsterstimme:
    »Herr Jeorling… ich hätte etwas mit Ihnen zu sprechen…
    – Bitte, Herr Kapitän, ich bin ganz Ohr.
    – Bisher that ich es nicht… offen gestanden, ich bin nicht zum Plaudern geschaffen… Und dann… hätten Sie an meiner

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