Die Eissphinx
furchtbarer Windstoß weit auf die Seite. Der »Grampus« richtete sich nicht wieder auf, ohne eine ungeheure Menge Wasser übergenommen zu haben, und solcher verderblicher Windstöße hatte er noch mehrere auszuhalten.
Die Gelegenheit schien günstig, den Kampf zu beginnen, obwohl die Meuterer vorläufig untereinander Frieden geschlossen hatten und der Wachposten jetzt nur von drei Mann, Dirk Peters, August Barnard und Arthur Pym, eingenommen war, während sich neun Mann in der Back befanden. Nur der Schiffskoch besaß zwei Pistolen und ein Seemannsmesser. Es galt also, mit aller Klugheit und Vorsicht ans Werk zu gehen.
Da fiel es Arthur Pym, dessen Anwesenheit an Bord die Meuterer noch nicht ahnen konnten, ein, sich einer Hinterlist zu bedienen, die einige Wirkung versprach. Da die Leiche des vergifteten Matrosen noch auf dem Verdeck lag, meinte er, daß, wenn er in dessen Kleidung plötzlich inmitten der abergläubischen Matrosen erschiene, schon der Schreck sie Dirk Peters auf Gnade oder Ungnade überliefern würde.
Es war tiefdunkle Nacht, als der Mestize dem Hintertheile zuschritt. Von Natur mit großer Kraft beschenkt, stürzte er sich auf den Mann am Ruder und warf ihn im Handumdrehen über die Schanzkleidung hinaus.
August Barnard und Arthur Pym, beide mit einem Pumpenschwengel bewaffnet, schlossen sich ihm an. Dirk Peters blieb dann am Platze des Untersteuermanns zurück, während Arthur Pym so verkleidet, daß er dem Todten möglichst ähnlich aussah, und sein Kamerad sich neben der Kappe der nach der Back hinabführenden Leiter aufstellten. Der zweite Officier, der Schiffskoch und alle übrigen befanden sich darin, schliefen, schwatzten oder tranken, und hatten Flinten und Pistolen nahe bei der Hand liegen.
Der Sturm heulte wüthend, so daß es fast unmöglich war, auf dem Verdeck auszuharren.
Da befahl der zweite Officier, August Barnard und Dirk Peters herunterzuschicken, ein Befehl, der dem Mann am Steuer übermittelt wurde, also keinem andern, als dem Tauwerksmaat selbst. Dieser und der junge Barnard begaben sich nach der Back hinab, wo Arthur Pym bald darauf erschien.
Die Wirkung dieser Erscheinung war wunderbar. Erschreckt durch den Anblick des wiederauferstandenen Matrosen, schnellte der zweite Officier in die Höhe, focht mit den Armen in der Luft umher und brach auf der Stelle todt zusammen. Da stürzte sich Dirk Peters, unterstützt von August Barnard, Arthur Pym und dessen Hunde Tigre, auf die Uebrigen. In wenigen Augenblicken waren alle abgethan, bis auf den Matrosen Richard Parker, dem man das Leben schenkte.
Jetzt, bei der schlimmsten Aufregung der Elemente, waren nur noch vier Mann zur Führung der Brigg da, die mit sieben Fuß Wasser im Raume furchtbar arbeitete. Man mußte den Großmast kappen und ihm am nächsten Morgen auch noch den Fockmast nachsenden. Das war ein schrecklicher Tag und eine noch schrecklichere Nacht! Hätten sich Dirk Peters und seine drei Genossen nicht an den Balken des Spills festgeklammert, so wären sie von einer überschlagenden Woge, die die Lukendeckel des »Grampus« zertrümmerte, über Bord gespült worden.
Weiter folgt im Roman die eingehende Schilderung der Ereignisse, die eine Folge dieser Lage waren, vom 14. Juli bis 7. August: das Fischen nach Lebensmitteln aus dem mit Wasser gefüllten Schiffsraum, die Erscheinung einer geheimnißvollen, mit Leichen bedeckten Brigg, die die Luft weithin verpestete und führerlos vor dem Winde trieb, die Qualen von Hunger und Durst, die Unmöglichkeit, nach der Vorrathskammer zu gelangen, das Loosen mit Strohhalmstücken, das dahin ausfällt, daß Richard Parker geopfert werden soll, um das Leben der drei anderen zu retten, der Tod dieses Unglücklichen, der, von Dirk Peters erschlagen, verzehrt wurde… Endlich werden einige Nahrungsmittel aus dem Schiffsraum erlangt: ein Schinken, ein Gefäß mit Oliven, später eine kleine Schildkröte… Infolge der Lageveränderung der Ladung neigt sich der »Grampus« immer weiter auf die Seite… Bei einer entsetzlichen Hitze, die in diesen Gegenden herrscht, steigern sich die Qualen des Durstes bis zum höchsten Grade, den Menschen erdulden können… August Barnard stirbt am 1. August… Die Brigg kentert in der Nacht vom 3. zum 4…. Arthur Pym und der Mestize, die sich auf den umgekehrten Schiffsrumpf zu retten vermochten, sind nun darauf beschränkt, sich von den Muscheln, die den Rumpf bedecken, zu ernähren, während immer Banden von Haifischen um sie herum
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