Die Eissphinx
deren Aufmerksamkeit gefesselt hat, mit geöffnet zu haben«.
An diesem Tage tummelten sich zahlreiche Walfische in der Umgebung der »Halbrane« umher. Gleichzeitig zogen zahlreiche Völker von Albatrossen nach Süden hin. Von treibendem Eise war nichts zu sehen. Jenseits der äußersten Grenzen des Horizonts war nicht einmal der bekannte »Eisblink« zu beobachten.
Der Wind verrieth keine Neigung aufzufrischen und leichte Dünste verhüllten die Sonne.
Es war schon fünf Uhr abends, als die letzten Profillinien der Insel Bennet verschwammen. Einen wie geringen Weg hatten wir seit dem Morgen zurückgelegt!
Der stündlich abgelesene Compaß zeigte nur eine unbestimmte Abweichung, was die Angaben des Berichts bestätigte. Bei wiederholten Sondierungen konnten wir keinen Grund finden, obwohl der Hochbootsmann dabei zweihundert Faden lange Leinen ablaufen ließ. Es war noch ein Glück, daß wenigstens die Strömung unsere Goëlette – freilich nur mit der Geschwindigkeit von einer halben Meile in der Stunde – nach Süden mitnahm.
Von sechs Uhr ab verschwand die Sonne hinter einer dicken Nebelwand, jenseits welcher sie ihre lange absteigende Spirale fortsetzte.
Die Brise war fast ganz eingeschlafen – eine Widerwärtigkeit, die wir nur mit lebhafter Ungeduld ertrugen. Wenn diese Verzögerungen anhielten oder gar der Wind umschlug, was sollten wir beginnen? Das Meer hier lag jedem Sturme offen, und eine Böe, die die Goëlette nach Norden zurück verschlug, hätte nur »die Karten« Hearne’s und seiner Genossen »gespielt«, indem sie deren Einspruch in gewissem Maße rechtfertigte.
Nach Mitternacht wehte es jedoch wieder frischer, und die »Halbrane« konnte etwa ein Dutzend Seemeilen aufholen.
Am nächsten Tage, am 24., ergab das Besteck 83°2’ der Breite und 43°5’ der Länge.
Die »Halbrane« befand sich nur noch achtzehn Bogenminuten – weniger als ein Drittel Grad, nicht mehr zwanzig Seemeilen – von der für die Insel Tsalal angegebenen Lage entfernt.
Leider ließ uns der Wind gegen Mittag aufs neue im Stiche; dennoch wurde, Dank der Strömung, um sechs Uhr fünfundvierzig Minuten abends die Insel Tsalal gemeldet.
Sobald der Anker in den Grund eingegriffen hatte, wurde die strengste Wachsamkeit angeordnet, die Kanonen wurden geladen, die Gewehre zur Hand gelegt und die Enternetze an Ort und Stelle gebracht.
So lief die »Halbrane« keine Gefahr einer Ueberrumpelung. An Bord wachten zu viele Augen… vorzüglich die Hunt’s, die sich niemals von dem Horizont im Süden abwendeten.
Sechzehntes Capitel.
Die Insel Tsalal.
Die Nacht verging ohne Störung. Kein Boot hatte die Insel Tsalal verlassen, kein Eingeborner sich am Ufer gezeigt. Danach ließ sich nur annehmen, daß die Bevölkerung mehr im Innern siedelte. Wir wußten ja auch aus dem Berichte, daß man drei bis vier Stunden marschieren mußte, um nach dem Hauptorte der Insel Tsalal zu gelangen.
Jedenfalls war die »Halbrane« bei ihrer Ankunft nicht bemerkt worden und das war ja am Ende recht günstig.
Wir ankerten bei zehn Faden Tiefe drei Seemeilen von der Küste.
Um sechs Uhr wurde der Anker gelichtet, und die von schwachem Morgenwinde getriebene Goëlette legte sich eine halbe Seemeile vor einem Korallenriffe, das den Atolls des Großen Oceans ähnelte, wieder fest. Von hier aus war es leicht, die ganze Insel zu überblicken.
Ein Umfang von neun bis zehn Seemeilen – was Arthur Pym nicht mit erwähnt hatte – eine zerklüftete, schwer zugängliche Küste, lange grüne Ebenen, eingerahmt von mäßig hoher Hügelreihe – das ist das Bild, das die Insel Tsalal darbot. Ich wiederhole, daß das Ufer verlassen war. Man sah ein Boot weder draußen auf dem Wasser, noch in den kleinen Buchten. Ueber die Felsen erhob sich kein Rauch und es hatte den Anschein, als ob an dieser Seite kein menschliches Wesen wohnte.
Was war denn seit elf Jahren vorgegangen? Vielleicht lebte der Häuptling der Eingebornen, jener Too-Wit, überhaupt nicht mehr? – Doch wo blieb dann die verhältnißmäßig zahlreiche Bevölkerung… und William Guy… und die Ueberlebenden von der englischen Goëlette?…
Als die »Jane« in dieser Gegend erschien, war es das erste Mal, daß die Tsalalier ein wirkliches Schiff sahen, und als sie dessen Verdeck betraten, hielten sie es für ein ungeheures Thier, die Masten für seine Gliedmaßen und die Segel für eine Art Bekleidung.
Jetzt mußten sie wissen, woran sie damit waren. Doch wenn sie jetzt nicht versuchten,
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