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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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Obstgarten. Alle alten Leute, die Dukarion noch gekannt hätten, weilten im Reich der Schatten, und seine Altersgenossen hatten auf den Schlachtfeldern ihr Leben gelassen oder schmachteten in römischer Sklaverei.
    Dukarions Blick fiel auf einen Baumstumpf am Rande des Obstgartens. Das Herz krampfte sich ihm zusammen. Das war der Stumpf einer hohen Eiche, in deren Schatten er als Kind gespielt hatte. Und als die Römer kamen, hatten sie ihn an diese Eiche gefesselt, um ihn auszupeitschen. Die Eiche war Zeuge seiner Schande gewesen.
    Wie sehr hatte er sich später, in der römischen Sklaverei, nach Freiheit gesehnt! Er hatte gemeint, sie in Hannibals Heer zu erlangen, aber auch dort war er zum Sklaven geworden, wenn auch zu einem ungefesselten Sklaven. Magons Tod hatte ihm die Freiheit gebracht. Doch was sollte er jetzt mit ihr anfangen? 
     
     
Die Schlacht der Giganten
     
    Wie ein Heuschreckenschwarm fielen die Römer vor Karthago in das blühende Flußtal des Bagradas ein. Was sie nicht aufessen oder wegschleppen konnten, zerstörten sie. Schwarz ragten die enthaupteten Stämme der Feigenbäume und Palmen in den Himmel. Über den Ruinen der Landhäuser hing schwarzer Rauch. Der Krieg, der einstmals in weiter Ferne, in Iberien und Italien, gewütet hatte, näherte sich nun Karthagos Mauern. Und noch fürchterlicher als die Zerstörungwut der Römer war der Rachedurst der Sklaven. Sie kamen aus den unterirdischen Kerkern in den nun zerstörten Landhäusern hervor und zerstreuten sich über das ganze Land. Nirgendwo konnte man sich vor ihnen verbergen. Und jeden Augenblick mußte man erwarten, daß sie sich auch in Karthago erhoben!
    „Warum zögert Hannibal?" riefen die karthagischen Ratsherren empört. „Er prahlt mit seinen Siegen in Italien, aber hier schiebt er die Entscheidungsschlacht von Tag zu Tag hinaus. Er leitete sogar Friedensverhandlungen mit dem römischen Feldherrn Scipio ein, der seine Bedingungen jedoch ablehnte. Warum zaudert Hannibal?" 
    Und sie sandten Boten zu ihm mit der Forderung, unverzüglich die Schlacht zu schlagen, die den Krieg beenden würde. So verließ Hannibal mit seinen Kriegern die Hafenstadt Hadrumetum, wo er sich mehrere Monate lang aufgehalten hatte, um ein Heer zu sammeln. Noch nie hatte er sich seiner Streitkräfte so wenig sicher gefühlt. Er besaß nur dreizehntausend erfahrene Krieger. Zwölftausend hatte er aus Italien mitgebracht, und eintausend waren unter Magarbais Kommando vor kurzem aus Norditalien eingetroffen. Magon war nicht dabeigewesen. 
    Italien wurde zum Grab meiner beiden Brüder! dachte Hannibal trauernd.
    Und die übrigen Krieger? Es waren frisch ausgebildete Söldner aus Gallien und von den balearischen Inseln. Sie taugten nur dazu, den ersten Angriff der Römer auf sich zu ziehen. Aus Karthago hatte man ihm zehntausend Landsturmleute geschickt, größtenteils Handwerker. Zwar wußten sie, welche Gefahr ihnen und ihren Familien im Falle einer Niederlage drohte, aber sie waren im Gebrauch der Waffen vollständig ungeübt, sie konnten mit Hammer und Sichel umgehen, nicht aber mit Schwert und Speer. Aus dem Elefantenausbildungslager waren fünfundachtzig Tiere eingetroffen. Noch niemals hatte Hannibal über so viele Elefanten verfügt, doch zwischen ihnen und den Kampfelefanten bestand ein ebenso großer Unterschied wie zwischen einem Rekruten und einem Krieger. Sie waren erst vor kurzem eingefangen worden und konnten nichts als rennen und kehrtmachen. Sie besaßen keinen Kampfeswillen, die Vorbedingung für Kampfelefanten. Als Hannibal sie betrachtete, dachte er sehnsüchtig an Richad.
    Ja, mein Vater hatte recht, dieser Mann war soviel wert wie ein ganzes Heer!
    Aber die größte Sorge machte ihm die Reiterei, weil er nur noch eintausend Reiter besaß. Wermino, der Sohn des Königs Syphax, hatte ihm zwar versprochen, mit seiner Reiterei zu ihm zu stoßen, aber er war noch nicht eingetroffen, und Hannibal konnte nicht länger auf ihn warten.
    Die ganze Nacht über klangen die Geräusche marschierender Truppen über die weiten Ebenen. Publius Scipio hatte erfahren, daß die karthagischen Truppen Hadrumetum verlassen hatten, und zog ihnen bis Zama entgegen. Bei Sonnenaufgang hatte sich das römische Heer in Schlachtordnung aufgestellt. Hannibal sah aus der Ferne, daß zwischen den einzelnen Truppeneinheiten breite Zwischenräume gelassen worden waren -eine Vorsichtsmaßnahme von Publius Scipio, die verhindern sollte, daß die Elefanten seine

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