Die Elefanten meines Bruders (German Edition)
Front nach vorne klappen kann wie eine riesige Kühlschranktüre. Dann kratzt sich der Mann am Kopf, als müsste er ein riesiges Problem lösen. Aber es gibt gar kein Problem. Er drückt nur den roten Wartungsknopf in der Maschine. Daneben ist ein Schild, auf dem steht, machen sie das: eins, zwei, drei. Dann brummt die Maschine, stampft ein wenig, rumpelt, der Mann kratzt sich am Kopf, murmelt, „so das hätten wir wieder“, und geht.
So ist meine Mutter, wenn ich kollabiere. Ich komme dann auf die Couch, werde zugedeckt, bekomme den Puls gefühlt. Weil es ist ja nichts. Ich wache ziemlich schnell wieder auf. Die Ärzte wissen nicht, was es ist. Es hat nichts mit dem ADS zu tun, sagen sie. Sie vermuten, dass ich mich überanstrenge und dann hyperventiliere und nicht genug Luft bekomme und dann einfach umfalle. Das ist wie das Notaus bei der Kaffeemaschine, wenn der Wasserzulauf verkalkt ist. Bei der Kaffeemaschine ist das Notaus, damit sie nicht überhitzt und die ganze Bude abbrennt.
Meine Mutter hat auch so einen Zettel, auf dem steht, was sie machen muss, wenn ich ein Wartungsproblem habe. Eins, zwei, drei. So das hätten wir dann wieder.
Wenn ich aufwache, zitiere ich meistens automatisch etwas aus einem Film. Diesmal sagte ich: „Ich heiße Rodney und bin Alkoholiker. Ich bin Mafiakiller. Ich bin bei den Anonymen Alkoholikern, weil ich immer danebenschieße.“
Meine Mutter schließt die Augen und kann sich nur mit Mühe beherrschen, aber sie macht dann doch nichts.
Meine Mutter therapiert nämlich gerne und ihr Lieblings-Therapieobjekt bin ich. Ich habe angeblich ADHS. Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom. Das habe ich aber gar nicht. Ich habe nur viel Energie. Soviel wie ein Fusionsreaktor. Und Kindern mit ADHS darf man nichts tun.
Meine Mutter arbeitet im Krankenhaus. Aber sie ist keine richtige Krankenschwester. Aber auch keine Ärztin und auch nicht die Putzfrau. Sie redet mehr mit den Menschen und lässt sie komische Sachen aufs Papier malen. Und wenn einer blöde genug ist, dass er zwei kleine Kackhaufen malt, weil ihm langweilig ist, dann schickt sie ihn vermutlich in die Klapse.
Ich bin gar nicht hypernervös. Einseinseinseinseinseins. Manchmal bin ich nach vier Stunden ausgeschlafen und um zwei Uhr morgens wieder todesfit. Ich hole dann den Todesstern von Krieg der Sterne vom Schrank und rase damit durch die ganze Wohnung, wobei ich wie der Imperator beim Ausatmen laut die Luft herauspresse. Aber das kann ich bei weitem noch nicht so gut wie den Rainman-Schrei. Das ist mein nächstes Ziel. Deshalb habe ich die Stimme des Imperators auf CD gebrannt und lasse sie auf der Anlage im Wohnzimmer auf voller Lautstärke ablaufen, während ich mit dem Todesstern den Gang auf und ab rase.
Einmal bin ich mit dem Todesstern sogar ins Schlafzimmer meiner Eltern gerannt. Ich könnte jetzt sagen, ich habe sie eng umschlungen überrascht, aber die Wahrheit ist, dass ich sie bei was anderem erwischt habe. Der Todesstern kreiste über ihnen und meine Mutter schubste meinen Vater herunter, während draußen der Imperator wütend seine Luft ausstieß.
Damit der Fusionsreaktor nicht außer Kontrolle und in meinem Kopf die Kernschmelze eintritt, denkt sich meine Mutter immer schlaue Sachen aus. Sie hat einmal mit mir eine Liste gemacht, was OK ist und wofür es einen Punkt gibt und was nicht OK ist. Dafür gibt es dann einen Punktabzug.
Zum Beispiel gibt es an der Einfahrt zu unserer Tiefgarage eine Betonsäule, an der ich warte, bis meine Mutter das Auto geholt hat. Ich renne dann wie bekloppt um die Säule und zähle laut, wie viele Runden ich schaffe.
„Eins, zwei, drei, siebzehn“, und so weiter. Wenn meine Mutter neben mir hält und hupt, damit ich einsteige, muss ich erst alle Runden um die Säule wieder zurück laufen, bis Null, weil sonst die Energie des Universums ins Ungleichgewicht gerät. Einmal, als meine Mutter in der Tiefgarage am Wagen eine Bekannte getroffen und geratscht hat, musste ich sogar 54 Runden zurücklaufen, ehe wir meinen Vater von der Arbeit abholen konnten. Da wäre meine Mutter fast ausgerastet.
Wenn ich jetzt die Geschichte mit der Säule lasse, bekomme ich einen Punkt. Um das Energie-Ungleichgewicht im Universum wollte sich meine Mutter kümmern. Ich weiß nicht, wie sie das macht, aber ich glaube ihr, denn sie kennt ziemlich komische Leute. Da könnte schon einer dabei sein, der ein gutes Wort beim Universum einlegt. Ich muss mir also keine Sorgen machen.
Wenn
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