Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
dass er sicherlich den ganzen Hals verbarg, wenn Emerelle das Kleid anlegte.
Birga spürte die starke Magie, die von dem Kleid ausging. Wieder und wieder hatte man es mit Zaubern umwoben. Sie waren wie die Jahresringe eines alten Baums. Selbst sie spürte ein Prickeln auf ihrer entstellten, gefühllosen Haut, wenn sie dem Kleid nahekam.
»Wir suchen das Zeugnis einer alten Liebe in einer Kammer voller Kleider«, sagte Alathaia nachdenklich. »Glaubst du, dass das hier ein Hochzeitskleid ist?« »Ich war nie auf einer Elfenhochzeit.«
Die Fürstin lächelte. »Natürlich, Birga. Eine dumme Frage. Außerdem hat Emerelle nie geheiratet. Aber dieses Kleid … Ich denke, eine Braut hätte es auf einer Hochzeit tragen können. Eigentlich ist es nichts Besonderes, verglichen mit den anderen. Und doch hat Emerelle es aufbewahrt. Sehr lange. Spürst du die Schutzzauber, die Motten fernhalten und Staub und die die Farbe vor dem Verbleichen schützen? Sie sind immer wieder erneuert und verstärkt worden. Dieses Kleid hätte schon vor Jahrhunderten zu Staub zerfallen sollen. Die Königin hat großen Aufwand getrieben, es zu erhalten. Warum wohl?«
Alathaia kniete nieder und hob den Saum. Die Geste hatte etwas Anzügliches. Birga konnte kleine Bündel aus Eichenblättern sehen, die von Lederriemchen zusammengehalten wurden. Dazwischen, wie in ein Nest gebettet, lagen drei unscheinbare Steine.
Die Elfe atmete erleichtert aus. Sie nahm die Steine. Dann zog sie das Büchlein, da Birga im Thronsaal aufgefallen war, aus dem Ärmel und legte es an Stelle der Steine i das Versteck.
»Was ist das für ein Buch? Warum lässt du es hier?«
»Es gehörte einer Lutin, die mir nichts sagen wollte und doch alles, was ich wissen musste, schon niedergeschrieben hatte. Sie hielt sich für schlauer als ich es bin. Genau wie ihre Mutter. Und sie ereilte dasselbe Schicksal wie ihre Mutter.« Die Elfe blickte kurz auf und lächelte. »Außer uns beiden gibt es niemanden mehr, dem dieses Versteck bekannt ist. Ich kann mir kaum einen sichereren Ort für das Büchlein vorstellen. Es könnten Jahrhunderte vergehen, bevor jemand den Saum dieses Kleides anrührt. Weil es Emerelle so viel bedeutet, wird niemand es leichtfertig berühren. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass Emerelle es nie getragen hat. Aber vielleicht ist das auch nur meine romantische Ader.«
Birga kam es falsch vor, das Büchlein zurückzulassen. Damit war eine Spur gelegt. Und wenn der Spiegel wirklich Bilder aller, die diese Kammer betreten hatten, in sich tragen sollte, dann würde Emerelle gewiss sehr gründlich suchen. Aber von alldem sagte sie nichts. Sie würde an der Seite Skangas sein, falls Emerelle jemals hierher zurückkehrte. Dort war sie nicht in Gefahr. Alathaia war es, die mit ihrem Leben spielte!
Die Elfe hielt verzückt die Karfunkelsteine in Händen. Sie waren ein wenig größer als Walnüsse.
»Sie haben keine magische Aura. Wenn sie verlorengehen, ist es fast unmöglich, sie wiederzufinden. Sie sehen zu gewöhnlich aus. Und doch sind sie von Macht durchdrungen. Sie sind so hart, dass kein Werkzeug sie zu kerben vermag. Keine Farbe will auf ihnen haften bleiben. Keinem Goldschmied wird es gelingen, sie in eine Fassung zu zwingen. Sie zu verändern oder zu markieren, ist unmöglich! Gib mir deine Hand, Birga! Ich will dir etwas zeigen.«
»Was?« Es war leichtfertig, einer Elfe zu vertrauen. Trotzdem streckte sie, noch bevor die Fürstin antwortete, bereits ihre Hand aus.
»Darf ich die Stoffstreifen abwickeln?«
Birga sah ihre geheimsten Hoffnungen erfüllt. Die Freude ließ ihr Herz schneller schlagen und schnürte ihr die Stimme ab, so dass sie nur nicken konnte. Kein Zauber, den sie von Skanga erlernt hatte, vermochte ihre Haut zu glätten. Und die alte Schamanin selbst konnte oder wollte ihr nicht helfen. Insgeheim vermutete Birga Letzteres. Skanga war bösartig! Sie wollte nicht, dass sie besser aussah. Das wusste Birga ganz sicher. Es hätte ihr mehr Freiheiten gegeben und sie vielleicht sogar dazu verleitet, sich einen Krieger zum Beischlaf zu suchen. Skanga glaubte, die Liebe schwäche die Zauberkraft. Birga hingegen war überzeugt, dass sie stärker denn je würde, wenn sie nur eine einzige Liebesnacht erleben dürfte.
Alathaia ließ sich nichts anmerken, als sie die grässlich entstellte Hand betrachtete. Mit spitzen Fingern strich sie über die Warzenfläche. Wie Tränen aus Fleisch sahen sie aus. Sie bedeckten Birgas Handrücken und die
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