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Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Titel: Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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wohl nicht. Er sah sich suchend um. Nein, hier gab es nichts, was man hätte anheben können. Nur Waldboden und Wurzeln.
    Ein leichter Windstoß ließ geisterhafte Nebelarme um ihn tanzen. Über ihm erklang vielstimmiges Klirren, als versuchten fremde Stimmen im weißen Nichts ihm etwas Drängendes mitzuteilen. Ein dumpfer Laut ließ Adrien erschrocken herumfahren. Keine drei Schritt hinter ihm war etwas auf den Waldboden gefallen. Ein unförmiger, braungrüner Klumpen.
    Seine Beine wollten losstürmen, blindlings in den Nebel laufen, aber Schrecken und Neugier hielten ihn in Bann. Vorsichtig näherte er sich dem Klumpen. Es war ein verzogener Stiefel, mit Moos und hellgrünen Flechten bedeckt. Wie konnte ein Stiefel aus dem Himmel fallen?
    Er hob den Stiefel an und ließ ihn fast sofort wieder fallen. Im Schaft steckten altersgelbe Knochen!
    Adrien wich entsetzt zurück. Wo war er hier? War all das Elfenzauber? Hatte er sich im Nebel in ihre Welt verirrt? Er kannte viele Geschichten über Elfen und hatte sie in der Sicherheit der Stadtmauern stets als albernes Altweibergeschwätz abgetan. Aber hier draußen, ganz allein in der Wildnis, erschienen sie ihm in einem neuen Licht. Hatte es nicht auch eine Geschichte gegeben, wie sie einen Heiligen an einen Baum banden, marterten und zuletzt verbrannten?
    Der Wind frischte weiter auf und zerriss die Nebelschleier. Vor ihm erhob sich ein gewaltiger Baum. Der Stamm war mächtig wie ein Turm. Alle Wurzeln liefen auf diesen Baum hin. Er beherrschte die Lichtung. Kein anderes Grün gedieh in seinem Schatten.
    Die Zeit hatte dem Baum sichtlich zu schaffen gemacht. Seine silbrig graue Rinde war vernarbt. Wo Äste abgebrochen waren und sich Fäulnis ins Holz gefressen hatte, klafften tiefe Höhlen, umschlossen von wulstigen Rindenlippen. Knochen schimmerten blass in den Baumhöhlen. Mit hölzernen Pflöcken waren Skelette an den Stamm genagelt. Adrien schätzte, dass es wohl mehr als ein Dutzend Opfer gewesen sein mussten, die man dem Baum dargebracht hatte. Und das einzig Beruhigende an diesem Anblick war, dass ganz offensichtlich alle schon sehr lange tot waren. Jetzt konnte der Junge auch Äste im Nebel über sich ausmachen. Äste, so dick wie die Stämme der ältesten Bäume, die er weiter unten nahe dem Ufer gesehen hatte. Graugrüne Blätter mit weißer Unterseite bewegten sich lautlos in der Brise. Der Baum war stumm. Der Wind vermochte den Blättern kein Rascheln zu entlocken. Nur die schweren, rostigen Eisenketten, die von manchen der Äste hingen, klirrten leise. Weitere Leichen waren dort aufgehängt. Und Schilde mit einem weißen Stierkopf auf rotem Grund. Es gab auch andere Wappen, aber die Schilde mit dem Stierkopf waren bei weitem am häufigsten, und es war auch das einzige Wappen, das Adrien kannte. Die Krieger des Königs Cabezan trugen solche Schilde. Die Geschichte über den Versuch, Säulen für seinen Palast zu stehlen, stimmte also! Was sonst sollten die Krieger in dieser Wildnis verloren haben?
    Der Junge machte einen weiten Bogen um den Baum. Er erinnerte sich an die Worte des Schiffers. Er musste sich beeilen, wenn er Bruder Jules noch vor Einbruch der Nacht finden wollte.
    Das Klirren der Ketten begleitete ihn. Er hatte das Gefühl, dass der Baum ihn beobachtete. War es der makabere Schmuck? War es die Größe? Der Baum machte ihm Angst. Jeden Augenblick rechnete er damit, dass sich die wulstigen Münder öffneten und die toten Krieger ausspien, damit diese ihn ergriffen und ihn zu sich holten. Oder dass ein Elf aus dem Nebel trat, um ihn in die verwunschene Anderswelt zu locken. Plötzlich fühlte sich der Boden unter seinen Füßen fester an. Adrien wagte es nicht hinabzusehen. Seine Gabe, sich die schrecklichsten Dinge auszumalen, gaukelte ihm auch so schon die ungeheuerlichsten Erklärungen vor.
    Der Junge wusste, dass ihn der unheimliche Baum noch lange in seinen Alpträumen verfolgen würde. Er brauchte nicht noch mehr Schreckensbilder!
    Trotz aller Vorsätze, nicht auf seine Füße zu blicken, kam er nicht umhin, zu bemerken, dass keine Baumwurzeln in die Richtung verliefen, in die er nun ging. Sie bogen ab, suchten sich andere Wege, als sei irgendetwas unter der Laubschicht, das sie abschreckte. Was erschreckte einen Baum?
    Adrien ging ein wenig schneller. Der Boden wurde immer fester. Vielleicht waren es ja nur Felsen, dachte er, aber in diesem verwunschenen Wald mochte er nicht wirklich daran glauben. Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich

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