Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
zu eben an.
Die klirrende Stimme des Baumes raunte über ihm im Nebel. Wollte sie ihm ein Geheimnis mitteilen? Ihn warnen?
Das war verrückt! Er begann zu laufen. Blasse Schemen zeichneten sich im Nebel ab. Zwei sitzende Löwen, groß wie das Flusstor von Nantour. Einem fehlten der halbe Kopf und ein großes Stück der linken Schulter. Der andere war unversehrt. Mit drei Augen blickten sie auf ihn herab, so wie er auf eine Maus hinabsehen würde. Zwischen ihnen verlief ein weiter Weg, der hinauf in die Berge führte. Aus den Rücken der Löwen wuchsen große, angelegte Schwingen. Welch ein Unsinn! Wer hatte je von geflügelten Löwen gehört! Gedankenverloren betrachtete er die seltsamen Fabeltiere. Was hatte der Schiffer gesagt?
Achte auf die Löwen
. Markierten sie den Weg, den er nehmen sollte? Auf jeden Fall erschienen sie ihm vertrauenerweckender als der Baum. Löwen waren stolz und edel! Und sie fressen Menschen, meldete sich ungefragt jene innere Stimme zu Wort, die immer nur das Schlimmste vermutete.
»Der Baum hinter mir auch«, murmelte Adrien leise, dann folgte er dem Weg. Er war aus großen, weißen Steinplatten gefügt. Die Straße in die Berge wirkte so alt wie die Berge selbst. Wind und Wetter hatten Spuren hinterlassen. Manche der Platten waren gerissen oder leicht verschoben. Moos wucherte in den Fugen.
Bald kam er an eine Treppe, die sich an eine steile, rotbraune Felsflanke lehnte. Die Stufen waren mehr als zehn Schritt breit. Hier könnte eine ganze Armee marschieren. Schulter an Schulter, Glied um Glied.
Etwas mit den Stufen stimmte nicht. Je mehr er erklomm, desto deutlicher wurde ihm das. Sie waren ein klein wenig zu hoch, als dass man sie bequem hätte erklimmen können. Es war wie in Kindertagen, als Treppen noch eine Herausforderung waren.
Je mehr seine Beine schmerzten, desto klarer drängte ein Gedanke in seinen Verstand. Diese Stufen waren nicht für Menschen gemacht.
ELFEN SIND DUMM
Nikodemus mochte seinen Gefährten nicht. Er war schon Hornschildechsen begegnet, mit denen man besser reden konnte als mit diesem Troll. Mürrisch und schweigsam stapfte der Hüne hinter ihm durch den hohen Schnee. Seit Tagen waren sie unterwegs. Nikodemus war stolz darauf, der Auserwählte der berühmten Trollschamanin zu sein. Ihm hatte sie es anvertraut, die beiden niederträchtigsten Mörder zu stellen, die Albenmark je gesehen hatte. Feinde des Volkes, wie man sie sich schlimmer nicht vorstellen konnte. Grausame Unterdrücker, die einen ganzen Gerichtssaal niedergemetzelt hatten. Alle Zeugen der Verhandlung, in der sie für ihre perfiden Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden waren, hatten den Tod gefunden.
Der Lutin blickte über die Schulter zu dem Troll zurück. Angeblich hatte Madra dem Beginn des Prozesses beigewohnt, aber der hatte ja seine Zunge verschluckt. Zu gerne hätte Nikodemus gewusst, wessen die Elfen angeklagt waren. Welche Schrecken so groß waren, dass alle Zeugen der Verhandlung sterben mussten, damit die Wahrheit über die Untaten der beiden nicht ans Licht kam.
Bevor er Feylanviek verließ, hatte Nikodemus seinem Bruder Elija einen Brief geschrieben, in dem er ihn über die Ereignisse unterrichtete. Auch wenn der Thron von Burg Albenmark erobert war, war doch die Schlacht um die Herzen des Volkes noch nicht entschieden. Das Massaker von Feylanviek mochte vielen Unentschlossenen die Augen öffnen. Zu deutlich offenbarte es das Wesen der Elfen. Elija würde den Bericht gut zu nutzen wissen! Obwohl er größten Respekt vor der Schamanin empfand, hatte Elija den Brief lieber nicht Skanga anvertraut. In manchen Dingen waren die Trolle einfach barbarisch! Nicht einmal ihre Anführer konnten lesen und schreiben. Wäre er nicht im Gerichtssaal gewesen, womöglich hätte niemand die Drohung bemerkt, die an die Wand geschrieben war. Solchen Verbündeten musste man leider zutrauen, dass sie einen Brief benutzten, um sich damit den Hintern abzuwischen. Aber so war nun mal die Dialektik der Revolution. Die Streiter des Geistes hätten niemals ohne die Streiter der Faust triumphiert. Und in ganz Albenmark gab es keine größeren Fäuste als Trollfäuste.
Nikodemus konnte die pulsierende Macht des Albenpfades durch die Schneedecke hindurch spüren. Und er konnte auch die Macht des nahen Sterns fühlen. Seine Rute begann zu kribbeln, und alle Haare darauf standen ihm zu Berge, wenn er sich einem Albenstern näherte. Das machte keinen sehr männlichen Eindruck, aber in Gegenwart des
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