Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Seine Hände waren voller Schwielen, die Finger stark und sehnig. Er konnte es schaffen. Er drückte sich fest an die Felswand. Wie eine Schnecke wollte er am Stein haften. Langsam jedes Hindernis überwinden. Ein Gaukler hatte ihm einmal gezeigt, wie eine Schnecke über die Schneide eines Schwertes kroch, ohne sich zu verletzen. Seitdem sah Adrien die Tiere mit anderen Augen. Der Fels war kalt. Der Stein trank seine Wärme. Die Finger wurden schnell taub. So fühlte er wenigstens keinen Schmerz, wenn er sie sich aufschürfte. Keilen gleich trieb er sie in seine Spalten. Er würde sich seine neuen Stiefel ruinieren, dachte er ärgerlich. Nach der Kletterei würde das Leder verschrammt sein. Vielleicht platzten auch die Nähte. Wenn er einmal Glück bei etwas hatte, dauerte es keinen Tag und alles war wieder verdorben. Als hätte ihn jemand verflucht! Seine Fingerspitzen ertasteten Eis. Es zog sich über eine kleine Felsnase, die kaum zwei Zoll weit aus der Wand ragte. Sie hätte einen guten Griff abgegeben, wäre da nicht das Eis. Adrien fluchte. Er tastete über die Wand. Eine Spalte war vom Eis versiegelt worden. Endlich fand er einen Ritz, in den er drei Fingerspitzen so weit hineinschieben konnte, dass er es wagte, den rechten Fuß von seinem sicheren Platz zu nehmen und mit ihm über den Felsen zu tasten. Er fand ein Sims und kam ein Stück weiter voran. Mit der Dämmerung war der Wind aufgefrischt. Er strich über die Wand. Eine Wolke von Sprühwasser benetzte Adriens Gesicht. Der verdammte Wasserfall! Er würde hindurchsteigen müssen. Das Wasser hatte nicht viel Kraft; es war kaum mehr als ein armdicker Strahl, der in die Tiefe stürzte. Aber es würde eisig sein. Wenn er dort hindurch war, dann würde er schnell ein warmes Quartier brauchen!
Warum ließ Jules ihn einen solchen Weg gehen? War es dem Priester egal, ob er lebend bei ihm ankam?
Wieder blies ihm der Wind Sprühwasser ins Gesicht. Er brauchte immer länger, um doch nur einen unsicheren Halt zu finden. Ja, er war verflucht! Aber er würde sich nicht beugen. Je schlimmer es wurde, desto wütender wurde er. Sein Zorn wärmte ihn. Und er verlieh ihm neue Kraft.
Noch ein Griff. Jetzt spritzte ihm Wasser mitten ins Gesicht. Der Fels war ganz in Eis gekleidet. Adrien hielt sich an einem Dorn fest, der aus der Wand ragte. Schwang sich tollkühn ein Stück weiter. Das Wasser strömte über ihn hinweg. Es war so kalt, dass es ihm den Atem raubte. Mit offenem Mund hing er in der Steilwand, unfähig, seine Lungen mit Luft zu füllen. Unfähig, seine Wut herauszuschreien, obwohl sie ihn schier bersten lassen wollte. Nass hingen seine zerklumpten Kleider an ihm herab. Aber seine Füße waren noch trocken. Wenigstens das, dachte er zynisch. Und plötzlich musste er lachen. All das hier war ein Witz. Ein toter Schiffer! Wohin mochte der ihn schon schicken, außer ins Verderben! Wie hatte er jemals glauben können, dass Jules ihn hier erwartete. Unsinn! Hier in dieser Einöde gab es nur Steine und den Tod!
Man mochte ihn leicht hereinlegen können, aber leicht umzubringen war er nicht! Trotzig kletterte er weiter. Schneller nun. Eilig tasteten die Finger über die vereiste Wand. Und immer fanden sie einen Halt. Er klammerte sich an einen Eiswulst. Der Schatten der Berge war nun schon bis zu seinen Hüften die Steilwand hinaufgekrochen. Die Finsternis würde ihn verschlingen, dachte er beklommen, während sein Fuß nach einem Sims suchte. Er hätte mit nackten Füßen klettern sollen. Damit fand man besseren Halt. Und er hätte seine kostbaren Stiefel geschont! Er verlagerte sein Gewicht. Streckte das Bein noch etwas weiter aus. Es war wie verwunschen. Nichts! Vielleicht müsste er ein Stück zurück. Wieder dem Wasser entgegen. Er streckte sich noch ein wenig mehr.
Ein scharfes Knacken ließ ihn bis ins Mark erschrecken. Der Eiswulst brach aus der Wand. Seine Hand glitt über gefrorenen Stein. Er drückte sich fest gegen die Wand und rutschte ab. Panisch versuchte er etwas zu packen zu bekommen. Sein Kinn schlug auf ein schmales Sims. Der Kopf wurde ihm durch den Aufprall in den Nacken gerissen. Er glitt weiter. Benommen nun. Ergeben … Plötzlich fanden seine Füße Halt. Ein Steg, groß wie ein Fußschemel. Seine Linke schoss in eine Spalte. Die Finger krümmten sich, sein Körper federte nach. Er hatte sich wieder in der Gewalt. Fünf Schritt oder sechs war er tiefer gerutscht. Der Schatten hatte ihn gefressen. Nur ein kleines Stück weiter war eine
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