Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Machtkämpfe. Sie beide hatten nach den Kämpfen der Trollkriege Frieden gesucht. Und den konnten sie am besten in der Bergwildnis am Albenhaupt finden. Doch jetzt machte sich Melvyn Sorgen. Leylin war von Kindheit an bei Hof aufgewachsen. Sie war es gewöhnt, Diener für alles zu haben. Am Albenhaupt aber war sie allein. Nach der Palastrevolte gegen Shandral vermochte sie keinem Kobold mehr zu trauen, obwohl ihr Leben verschont worden war und man ihr kein Leid zugefügt hatte.
In den Wochen, die sie dort gemeinsam gelebt hatten, war sie ganz gut zurechtgekommen. Er musste schmunzeln. Nein, nicht wirklich. Sie hatte sich bei allem ungeschickt angestellt. Aber sie hatte den Willen, es besser zu machen. Und zuletzt war es auch ein wenig besser geworden. Sie war eine begabte Zauberweberin. Er musste sich um sie keine Sorgen machen! Sie konnte fort, wenn sie es wollte. Wenn der Winter einfach kein Ende nahm. Und die Einsamkeit.
Er wünschte, er wäre jetzt bei ihr. Er sehnte sich danach, ihre blütenzarte Haut zu berühren. Neben ihr zu erwachen nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht. Warum war er nur fortgegangen? War er nicht für ein Leben in Frieden geschaffen? Leylin hatte bemerkt, dass er immer rastloser geworden war. Sie hatte ihn in dem Plan, seine Schwester zu besuchen, noch bestärkt. Sie beide hatten ja nicht geahnt, was Kadlin vorhatte. Und statt vernünftig darüber nachzudenken, wie erfolgversprechend es war, sich zu zweit ausgerechnet mit dem Heerführer Orgrim und einem ganzen Trollherzogtum anzulegen, hatten er und Kadlin sich nur gegenseitig immer weiter aufgestachelt, bis sie beide vom sicheren Erfolg des Unternehmens überzeugt waren. Er würde vielleicht noch hier herauskommen. Ob Leylin wohl versuchen würde, ihn dazu zu überreden, wenn sie hier wäre? Wahrscheinlich nicht. Seine kleine Schwester den Trollen zu überlassen, wäre ehrlos. Mit dieser Schande könnte er nicht weiterleben. Aber er würde sich an Wolkentauchers Beinen festhalten können. Er blickte zum Himmel. Graue Wolken, schwer vom Schnee, den sie mit sich trugen, trieben tief über ihm hinweg. Wenn ein Schneesturm einsetzte, könnte er den Trollen ebenfalls entkommen. Aber nicht Kadlin. So geschwächt wie sie war, würde auch ein solcher Versuch ihren sicheren Tod bedeuten.
Was ging bei den Trollen vor sich? Warum hatten sie nicht Wort gehalten? Melvyn sah nach seiner Schwester. Sie hatte sich wie ein Kind eingerollt, die Hände auf ihre Schultern gelegt. Er hatte sie, so gut es ging, zugedeckt. Ihr Gesicht glühte vor Fieber. Oder waren es die Erfrierungen an Stirn, Nase und Wangen, die ihrem Gesicht die rote Farbe gaben? Ihr Atem ging regelmäßig. Wenigstens das. Er untersuchte ihre Hände. Die Frostbeulen waren dunkler geworden. Sie sahen nicht gut aus. Er seufzte.
Niedergeschlagen verließ er die Deckung der Felsnische. Auf dem Hang gegenüber waren nun weit über hundert Trolle versammelt. Und mit jedem Herzschlag wurden es mehr. Hundert Trolle, das war mehr als genug, um Firnstayn dem Erdboden gleichzumachen!
Ein Trupp, gewappnet mit türgroßen Schilden, löste sich aus der dunklen Linie. Sie liefen den Hang hinab, dass der Schnee nur so aufspritzte.
Melvyn blickte zurück. Ein wenig seitlich gab es einen schroffen Felsen. Mit ihm im Rücken würde er länger durchhalten. Er atmete tief aus, lockerte die Schultern und war bereit für sein letztes Gefecht.
EIN SCHWARZER TAG
Oblon rannte aus der Ahnenkammer in die ersterbende Nacht. Was sollte er tun? Der Riese würde sich rächen! Das war unausweichlich bei dem, was er ihm angetan hatte. Dabei hatte er es für alle Beteiligten gut gemeint. Für sich, für das Dorf, die Riesin, die ihren Geliebten zurückbekommen hätte. Der Besessene, der endlich wieder Herr seines Körpers geworden wäre.
Er blieb am Dornenwall stehen und blickte zu seiner Hütte zurück. Es gab alte Geschichten, da opferte der Schamane seine erstgeborene Tochter, um die Drachen gnädig zu stimmen, die Regen schickten, um die Ernte zu retten, oder einen Feind vertrieben. Eine Tochter hatte er nicht. Ob es helfen würde, sein Weib, Firandi, zu opfern? Wohl nicht. Vielleicht sollte er sein eigenes Leben als Pfand anbieten, um Unheil abzuwenden. Vielleicht genügte es dem Riesen ja, ihn niederzumetzeln.
Die Beine, die aus dem erweiterten Eingang der Ahnenkammer ragten, bewegten sich. Bald würde Falrach herauskommen. Bis dahin musste er eine Entscheidung treffen, dachte Oblon.
Das tiefe Dröhnen
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