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Die Elfen des Sees

Die Elfen des Sees

Titel: Die Elfen des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Sprache verschlagen. Fassungslos starrte sie die beiden Frauen an, die da so einträchtig beisammensaßen und über ihr Leben und ihre Zukunft entschieden, als sei sie ein seelenloses Ding, das man einfach herumreichen konnte.
    »Habt Nachsicht mit meiner Tochter«, sagte ihre Mutter entschuldigend zur Hohepriesterin, als Lya-Numi nicht antwortete. »Das kommt alles sehr plötzlich. Sie wird sich bald gefasst haben.«
    »Ach, werde ich das?« Lya-Numi machte sich nicht die Mühe, ihren Worten die Schärfe zu nehmen. »Wie wäre es, wenn ihr mich erst einmal fragt, ob ich das überhaupt will?« Sie schüttelte den Kopf und wich einen Schritt zurück. »Nur damit ihr es wisst«, stieß sie mühsam beherrscht hervor. »Ich gehe nicht von hier fort – niemals!« Dann wirbelte sie herum, stürmte aus der Hütte und ließ Gilraen und ihre Mutter zurück, ohne sich noch einmal umzublicken.
    Tränen verschleierten Lya-Numis Blick, als sie durch die vertrauten Straßen floh. Fort, nur fort von ihrem Elternhaus und der Hohepriesterin, die sie der Heimat und den Menschen, die sie so sehr liebte, entreißen wollte.
    Ich gehe nicht! Ich gehe nicht! Die Worte hämmerten hinter ihrer Stirn im Takt ihrer Schritte, wieder und wieder wie eine Beschwörungsformel, die das Unvermeidliche aufzuhalten vermochte. Ich gehe nicht. Mein Platz ist hier. Am See. Bei Dirair.
    Wie von selbst fanden ihre Füße den Weg zum Ufer des Sees, wo ein schmaler Holzsteg durch das Schilf führte, an dessen Ende das Boot ihres Vaters des Nachts vertäut lag. Ihrem Steg, auf dem Dirair ihr seine Liebe gestanden hatte.
    Lya-Numi verlangsamte ihre Schritte, ging bis ans Ende des Stegs und setzte sich. Während sie den Blick über den flachen Graslandsee schweifen ließ und ihre Gedanken zu ordnen versuchte, atmete sie tief durch und sog den vertrauten, würzigen Duft des Sees tief in ihre Lungen. Wie oft hatte sie hier mit Dirair beisammengesessen und von der Zukunft geträumt? Wie oft hatten sie bei Sonnenuntergang die Blauschwäne beobachtet, die in jedem Frühling ganz in der Nähe im Schilf brüteten und auf dem flachen See ihre Jungen großzogen, bevor sie im Herbst wieder nach Süden flogen? Dirair hatte immer davon geträumt, ihnen zu folgen, und sich gewünscht, einmal dorthin zu reisen, wo sie den Winter verbrachten. Lya-Numi nicht. Niemals hatte sie die majestätischen Vögel um die weite Reise beneidet, nicht ein einziges Mal den Wunsch verspürt, selbst aufzubrechen und die Welt jenseits des Sees kennenzulernen.
    Lya-Numi seufzte. Wie die Weiden, die am Ufer standen und ihre Zweige weit über den See reckten, war auch sie mit diesem Landstrich verwurzelt, und wie eine Weide würde auch sie verkümmern, wenn jemand diese Wurzeln durchtrennen und sie an einen anderen Ort verpflanzen würde, dessen war sie gewiss.
    »Du unterschätzt dich. Du bist stärker, als du denkst.«
    Lya-Numi drehte sich um und sah die Hohepriesterin am Ufer stehen. Wie selbstverständlich betrat sie den Steg, kam auf Lya-Numi zu und setzte sich neben sie.
    »Es ist schön hier«, sagte sie auf eine Weise, als sei nichts geschehen. »So friedlich.«
    Lya-Numi schwieg. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Gilraen ihr folgen würde, und war verwirrt. Wenn die Hohepriesterin wenigstens zornig gewesen wäre … Der gefällige Plauderton machte alles nur noch schlimmer.
    »Das Schicksal geht oft seltsame Wege. Findest du nicht?«, richtete die Hohepriesterin das Wort nach einer kurzen Zeit des Schweigens wieder an Lya-Numi.
    »Kann sein.« Lya-Numi gab sich einsilbig. Nicht zu antworten wäre unhöflich gewesen. Die zwei Worte erschienen ihr mehr als genug. Trotzdem fügte sie hinzu: »Ihr seid aber nicht das Schicksal.«
    »Nein, das bin ich nicht.« Ein Lächeln huschte über Gilraens Gesicht. »Und doch waren es das Schicksal und der Wille der Gütigen Göttin, die mich zu dir führten.« Sie setzte sich so, dass sie Lya-Numi ansehen konnte, und sagte: »Ich muss dir nichts über die Kraft von Visionen sagen, meine Tochter. Du kennst sie, ebenso gut wie ich. Wir beide wissen, dass sie immer eintreffen, ganz gleich ob uns gefällt, was wir sehen oder nicht. Früher oder später werden sie wahr, auch wenn es uns für eine Weile gelingen mag, das Unausweichliche hinauszuzögern – oder zu verleugnen.« Sie verstummte und schaute Lya-Numi so direkt in die Augen, dass diese hastig den Blick senkte. Sie weiß es, dachte sie bei sich. Sie weiß,

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