Die Elfen
werden.
Das Klicken der Hufe wurde schneller. Ein letzter Zug noch! Mandred hatte es geschafft. Er lag im Bannkreis der Steine.
Bleierne Müdigkeit griff nach seinen Gliedern. Mit jedem Atemzug schnitt der eisige Frost in seine Kehle. Erschöpft lehnte er sich gegen einen der Steine. Böiger Wind zerrte an seinen froststarren Kleidern. Der Gürtel um seinen Oberschenkel hatte sich gelockert. Blut sickerte durch die Wollfetzen.
Leise betete Mandred zu seinen Göttern. Zu Firn, dem Herrn des Winters, zu Norgrimm, dem Herrn der Schlachten, zu Naida der Wolkenreiterin, die über die dreiundzwanzig Winde gebot, und zu Luth, dem Webmeister, der aus den Schicksalsfäden der Menschen einen kostbaren Teppich für die Wände der goldenen Halle wob, in der die Götter mit den tapfersten der toten Krieger zechten.
Mandred fielen die Augen zu. Er würde schlafen .
den langen Schlaf . Seinen Platz in der Halle der Helden hatte er verwirkt. Er hätte mit seinen Gefährten sterben sollen. Er war ein Feigling! Gudleif, Ragnar und Asmund, keiner von ihnen war fortgelaufen. Dass der Holzstoß die Klippe hinabgestürzt war, war die Strafe der Götter.
Du hast Recht Mandred Torgridson. Wer feige ist, den schätzen die Götter nicht mehr, erklang eine Stimme in seinem Kopf.
War das der Tod?, fragte sich Mandred. Nur eine Stimme?
Mehr als eine Stimme! Sieh mich an !
Der Jarl vermochte seine Augenlider kaum mehr zu öffnen. Warmer Atem schlug ihm ins Gesicht. Er sah in große Augen, so blau wie der Himmel an einem Spätsommertag, wenn Mond und Sonne zugleich am Firmament standen. Es waren die Augen des Mannebers! Die Bestie war neben ihm, gleich außerhalb des Steinkreises, in die Hocke gegangen. Geifer troff von ihrem blutverkrusteten Maul. An einem der langen Hauer hingen noch faserige Fleischfetzen.
Wer feige ist, den schützen die Götter nicht mehr, erklang wieder die fremde Stimme in Mandreds Kopf. Nun können die anderen dich holen.
Der Manneber richtete sich zu voller Größe auf. Seine Lefzen zuckten. Fast schien er zu lächeln. Dann wandte er sich ab. Er umrundete den Steinkreis und war bald ganz außer Sicht.
Mandred legte den Kopf in den Nacken. Noch immer tanzte das geisterhafte Feenlicht über den Himmel. Die anderen? Schon umfing ihn Dunkelheit. Waren ihm die Augenlider zugefallen, ohne dass er es gemerkt hatte? Schlafen… nur für kurze Zeit. Die Dunkelheit war verlockend. Sie verhieß Frieden.
MINNESPIEL
Noroelle saß im Schatten zweier Linden und ließ sich von Farodins Flötenspiel und Nuramons Gesang berühren. Fast schien es ihr, als schenkten ihr die beiden Werber mit ihren sanften Weisen die Sinne neu. Versonnen betrachtete sie das Spiel von Licht und Schatten im Blätterdach weit über ihr. Ihr Blick schweifte hinab zu der Quelle, die knapp außerhalb des Schattens lag. Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser. Sie beugte sich vor, ließ die Hand hineingleiten und spürte das Kribbeln des Zaubers, der darin wohnte.
Ihr Blick folgte dem Wasser, das sich in den kleinen See ergoss. Die Sonnenstrahlen drangen bis auf den Grund und ließen die bunten Edelsteine funkeln, die Noroelle einst dort mit Sorgfalt gebettet hatte. Sie nahmen den Zauber der Quelle in sich auf. Die Magie, die nicht gebunden wurde, strömte mit dem Wasser aus dem See in den Bach und wurde hinweggespült. Dort draußen nährten sich die Wiesen vom Zauber des Wassers. Und des Nachts verließen die kleinen Auenfeen ihre Blüten und trafen sich, um im Sternenlicht zu schwärmen und die Schönheit Albenmarks zu besingen.
Die Wiesen hatten ihre blühenden Frühlingskleider angelegt. Ein milder Wind trug den vielfältigen Duft der Gräser und Blumen zu Noroelle; unter den Bäumen vermischte er sich mit dem süßen Duft der Lindenblüten. Ein Rascheln schwebte über der Elfe, das sich mit dem Gesang der Vögel und dem Plätschern des Quellwassers verband und Farodins und Nuramons Klänge untermalte.
Während es Farodin gelang, mit seinem Flötenspiel einen feinen Klangteppich aus all den Schwingungen dieses Ortes zu weben, erhob Nuramon seine Stimme über diesen und ersann Worte, die Noroelle wie eine Albe erscheinen ließen. Liebevoll blickte sie zu Nuramon, der auf einem flachen Stein am Wasser saß, und wieder zu Farodin, der am Stamm der größeren der beiden Linden lehnte.
Farodins Gesicht war das eines Elfenfürsten aus den alten Liedern, deren edle Schönheit als Glanz der Alben gepriesen wurde. Die lindgrünen Augen waren der
Weitere Kostenlose Bücher