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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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murrend entgegen. Der Commandant verteilte weitere Dienstaufträge.
    »Ein Schwuler, der bei einem SM-Spiel, das aus dem Ruder gelaufen ist, seinen Partner umgebracht hat, im 4.Arrondissement. Mordversuch wegen einer Erbschaftsgeschichte im 17.Arrondissement ...«
    Paul Garcia konnte, wie immer, nicht stillsitzen und spielte mit seinem Feuerzeug, er konnte es kaum erwarten, zu erfahren, mit welchem Fall sie betraut würden. Blandine Pothin zuckte zusammen, als sie ihren Namen hörte.
    »Pothin und Garcia, Kommissar Jean-François Rilk erwartet sie an der Metrostation Porte des Lilas. Jemand hat sich vor die U-Bahn geworfen. Sie müssen den Bediensteten der Verkehrsbetriebe zur Hand gehen. Weitere Informationen habe ich nicht.«
    Die Sirene auf dem Dach heulte, und das Blaulicht pulsierte in der undurchdringlichen Finsternis. Der Wagen schoss durch die dampfende Dunkelheit dahin, in den Nordosten von Paris.
    »Was hat er uns da für einen Scheiß aufgebrummt?«
    Paul Garcia beachtete die quietschenden Bremsen nicht weiter, auch nicht die dröhnenden Hupen rechts, und fuhr mit Karacho, ohne sich umzusehen, auf die Place de la République. Verstreut herumliegender Abfall, Konfetti, Luftschlangen-Kanonen, mit Graffiti besprühte Fensterscheiben. Verkohlte Überreste von Mülleimern. Es schien, als hätte man auf dem Platz gerade eine Orgie gefeiert. Er gab Vollgas.
    »Mist! Was glaubt er eigentlich? Dass wir seine Lakaien sind? Wir sind Beamte der Mordkommission, keine Verkehrspolizisten! Weshalb machen das nicht die Typen vom Verkehrsdezernat? Das ist doch ihre Aufgabe, oder?«
    Blandine streichelte seinen Hals, um ihn zu besänftigen.
    »Was soll ich dazu sagen? Ich weiß auch nicht mehr als du.«
    Paul musste sich nicht groß anstrengen, um sie zu verführen. Der Charme dieses Mannes, der sich nach wie vor wie ein ungezogener Spitzbube gebärdete, der nicht erwachsen werden wollte, hatte sie schier überwältigt. Noch am gleichen Tag, an dem sie sich kennenlernten, hatten sie abends ausgelassen in seinem Bett herumgetollt, und an diese erste Nacht, die jetzt neun Monate zurücklag, hatten sich viele weitere angeschlossen.
    Der Wagen schoss über die schnurgerade Fahrbahn dahin. Sie erreichten die Place de Ménilmontant. Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei standen noch immer am Straßenrand und bildeten eine blaue Mauer entlang der Verkehrsadern. Die Treppe vor der Kirche Notre-Dame-de-la-Croix war mit Überresten der Demonstration vom Vortag übersät. Das Hellrosa der Nebelgranaten schwebte noch wie von der Morgenröte erhellte Dunstschwaden über dem menschenleeren Platz. Die winterliche Kälte kühlte die Gemüter nicht ab.
    Blandine fragte sich, wie lange der Kommissar sie wohl bräuchte. Allerhöchstens einige Stunden. Vielleicht würde man ihnen gleich danach einen anderen Fall übertragen – einen, mit dem man sich als Polizist einen Namen machen konnte. Aber das war doch eher unwahrscheinlich.
    Die Aussicht darauf, einen weiteren Tag damit zu verbringen, Stapel von Papieren zu sichten und Zeugenaussagen zu aktualisieren, ließ ihre gute morgendliche Laune schwinden. Auch wenn sie noch nicht lange im Polizeidienst war, hatte sie die Hochschule doch als Zweitbeste ihres Jahrgangs verlassen. Was der logische Abschluss eines tadellosen Werdegangs war. In Rechtsmedizin war sie besonders gut, und am Schießstand konnten es nur wenige Männer mit ihr aufnehmen. Doch ungeachtet all dieser Fähigkeiten hatte der Kommissar ihr nicht mehr Freiraum gegeben.
    Seit über einem Jahr hatte sie das Gefühl, dass ihr Leben in dem eintönigen Alltagstrott zunehmend erstarrte.
    Es war acht Uhr morgens.
    Als sie ausstiegen, schlug ihnen die beißende Kälte ins Gesicht. Nur vereinzelte Passanten waren auf den Straßen, einige Geschäfte hatten bereits geöffnet. Die noch in Dunkelgrau gehüllten Fassaden begrenzten die Blickweite. Bislang waren keine Krankenwagen eingetroffen. Ein schlechtes Zeichen.
    Sie stiegen eine Treppe hinunter, aber vor dem U-Bahn-Schacht hielt sie ein schweres Eisengitter auf. Paul wählte die Nummer von Jean-François Rilk.
    »Garcia am Apparat. Wir sind da, Herr Kommissar.«
    Blandine zündete sich eine Zigarette an und trat von einem Bein aufs andere, um sich aufzuwärmen. Hinter dem Eisengitter sah sie undeutlich zusammengekauerte Gestalten, die vom Licht eines Passbildautomaten schwach beleuchtet wurden. Luftströmungen, die in der Station herumwirbelten, trugen einen merkwürdigen Geruch

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