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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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immer stärker werdenden Gestank und begab sich ans Ende des Bahnsteigs. Sie spähte durch eine Scheibe, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Sie streifte sich Latexhandschuhe über und öffnete eine Waggontür. Sie stieg ein und leuchtete mit ihrer Taschenlampe den Raum unter den Sitzen aus. Dann ging sie vor bis zum Führerstand, entdeckte jedoch nur schmutziges Papier, zerrissene Fahrscheine, Lachen von Erbrochenem und zerdrückte Dosen unter den Klappsitzen.
    Als sie den Fahrerstand betrat, wurde ihr speiübel. Es roch nach faulem Fleisch und Gedärmen. Ein süßlicher Blutgeschmack legte sich auf ihre Zunge. Sie presste die hohle Hand auf den Mund und versuchte herauszufinden, von woher der Gestank kam. Sie leuchtete mit der Taschenlampe in alle Winkel und sah plötzlich etwas funkeln.
    Ein rotes Glitzern hinter der Scheibe.
    Blandine drehte sich langsam um und richtete die Taschenlampe auf die Mündung des Tunnels. Sie erblickte die von rubinroten Tropfen gesprenkelte Windschutzscheibe, woraufhin sie die Augen aufriss.
    Anschließend ging sie um den Triebwagen herum und sprang hinunter ins Gleisbett. Die Übelkeit überfiel sie mit voller Wucht. Sie trat einen Schritt zurück und schloss die Augen, um das Bild dessen zu vertreiben, was auf dem Gleis lag. Sie wartete, bis sich ihr Herzschlag verlangsamte, ehe sie die Augen wieder öffnete und die Leichen betrachtete.
    »Mein Gott, nein ...«
    Die Gesichter der beiden jungen Mädchen waren schmutzverschmiert, ihre leeren Augen starrten an die Decke. Der linke Arm der Älteren war von den Reifen zerfetzt worden, der nackte Knochen war mehrfach in sich geknickt. Die in Höhe der Schultern und des Halses herausgerissenen Sehnen glichen Tentakeln, die durch Blutergüsse blau angelaufen waren. Aus dem aufgeschlitzten Bauch hingen Gedärme heraus, die sich wie lange ekelerregende Würste über die Eisenbahnschwellen schlängelten. Ein schlimm zugerichteter, verdrehter Schenkel – die Haut durch die Reibungshitze verbrannt – war unter einem Rad eingeklemmt. Kirschrote Streifen zogen sich über das Blech des Zuges und begannen zu gerinnen.
    Das Licht der Neonscheinwerfer verstärkte den roten Glanz des Blutes.
    Der Oberkörper des zweiten Mädchens hatte Spuren an der Karosserie hinterlassen. Durch den Aufprall auf der Metallplatte war der Torso regelrecht zu einer unidentifizierbaren runden Fleischmasse gepresst worden. Der Gummibelag auf den Reifen war durch das starke Bremsen leicht geschmolzen, und ein feuchter Geruch, ähnlich dem einer aufgeheizten Straße nach einem Regenguss, stieg auf und verband sich mit dem Geruch der Körperflüssigkeiten, die aus den Leichen heraussickerten.
    Die Polizistin spuckte die bittere Galle, die sich in ihrem Schlund angesammelt hatte, aus und versuchte, ruhiger zu atmen. Vor Bestürzung krampfte sich ihr der Magen zusammen. Auf die Übelkeit folgte ein seltsames Schwindelgefühl, das aus dem Inneren kam. Während sie das Gleis entlangging, massierte sie sich den Plexus, um die Durchblutung anzuregen. Winzige elektrische Entladungen zuckten unter ihrer Haut. Hypnotisiert vom Anblick der toten blondhaarigen Mädchen, kniete sie sich neben dem nieder, was von den beiden Körpern übrig geblieben war, ihren Ekel überwindend.
    Sie betrachtete das düstere Menuett, das die jungen Mädchen im Liegen tanzten.
    In alle Ewigkeit.
    »Haben Sie gefunden, was Sie suchten?«
    Sie zuckte zusammen. Die massige Statur ihres Chefs überragte sie; ohne mit der Wimper zu zucken, musterte er die Leichen.
    »Ich habe gesehen, wie sie vor den Zug gesprungen sind. Da war nichts mehr zu machen.«
    Der Kommissar zündete sich eine Zigarette an und räusperte sich.
    »Was für ein Jammer ... die Kleine da dürfte nicht älter als zwölf sein. Ich habe versucht, wenigstens eine zu retten, aber es war vergebens. Ich habe sie fünf Minuten am Leben gehalten! Fünf armselige Minuten! Und – peng! – ist sie mir in den Armen verreckt!«
    Ein Rechtsmediziner traf in Begleitung des Staatsanwalts auf dem Bahnsteig ein und stieg hinunter ins Gleisbett, um eine schnelle Untersuchung der Leichen in situ durchzuführen. Der Staatsanwalt, ein vierschrötiger kleiner Mann, der ein zu eng sitzendes Vichy-Hemd trug, und der Kommissar entfernten sich, um ihre ersten Schlussfolgerungen zusammenzutragen und zu entscheiden, ob die Eröffnung einer polizeilichen Voruntersuchung angezeigt war.
    Blandine hielt sich im Hintergrund und beobachtete den Mediziner

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