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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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Mal das Bewusstsein verlor. Allmählich verschwamm alles in einem großen Einerlei, in dem sich Träume und bruchstückhafte Sinneseindrücke vermengten.
    Was war geschehen, bevor die Rettungssanitäter aufgekreuzt waren?
    Eine tief sitzende Unsicherheit. Ungeachtet der medikamentenbedingten Benommenheit wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass es ihm gelungen wäre, die Kinder zu retten. Der Drang zu reagieren ließ ihn all seine Kräfte zusammennehmen, um sich auf die Seite zu wälzen. Zunächst schaffte er es nicht. Eine unsichtbare Zwangsjacke behinderte ihn. Im zweiten Anlauf gelang es ihm seinen Arm auszustrecken und die Klingel an der Wand zu drücken. Wenig später erschien eine Krankenschwester im Zimmer.
    »Sind Sie aufgewacht?«, fragte sie ihn lächelnd.
    Léo nickte und verkrampfte sich bei dem Versuch, sich mit dem Rücken gegen die Kopfkissen zu lehnen.
    »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Das dürften fünf Tage her sein.«
    Die Krankenschwester zog die Jalousie hoch, und das Tageslicht verdrängte die kalte künstliche Beleuchtung. Er kniff die Augen zusammen und genoss das Licht der Morgendämmerung, das sich über Paris herabsenkte.
    »Freunde von Ihnen warten draußen. Soll ich sie hereinbitten?«
    Er nickte.
    Die junge Frau ging hinaus auf den Gang und bedeutete Zoé Hermon und ihrer Vorgesetzten, hereinzukommen.
    »Wie fühlen Sie sich, Léopold?«
    Er flüsterte mit erstickter Stimme:
    »Die Kinder?«
    Die Kommissarin trat ans Bett und legte ihre Hand auf seine.
    »Es geht ihnen gut. Sie befinden sich zur Beobachtung im Krankenhaus von Limoges. Ihre Eltern sind bei ihnen.«
    Ein unglaublich warmes Gefühl durchrieselte seinen Körper. Er genoss diesen Moment.
    »Was ist passiert?«
    »Der Arzt, der Sie behandelt, hat Ihnen viel Ruhe verordnet und ...«
    »Ich muss es wissen.«
    »Nach dem, was wir wissen, ist jemand dem Einsatzkommando zuvorgekommen. Die Kinder sind wohlauf, aber ...«
    Die Kommissarin machte eine Pause, um nach den passenden Worten zu suchen. Ihr Gesicht verschloss sich, und ihre Stimme wurde ernster.
    »Die Kinderschänder sind tot. Es gab keinen Überlebenden. Den genauen Ablauf kennen wir noch nicht. Vielleicht eine Abrechnung.«
    Léo sah die Szene noch einmal klar und deutlich vor sich – Broissard, der ein Blutbad unter den Tätern anrichtete –, doch er wusste nicht, ob er das nur geträumt hatte.
    »Wir wissen im Moment noch nicht sehr viel, aber alles deutet darauf hin, dass einige Kommissare in den Fall verwickelt sind.«
    »Jean-François Rilk ...«
    »Ja, sowie Maxime Kolbe. Tut mir leid. Ich weiß, dass er Ihr Vorgesetzter und Ihr Freund ist.«
    »Wessen werden sie verdächtigt?«, fragte Léo mit schwacher Stimme.
    »Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen glauben wir, dass sie Geld erhielten, um bestimmte Verbrechen zu vertuschen oder lästige Zeugen aus dem Weg zu räumen. Man verdächtigt sie der Einschüchterung, der Erpressung und auch illegaler Deals mit Verbrechern, die Delikte auf ihre Kappe nehmen sollten, die sie nicht begangen hatten.«
    »Zu welchem Zweck?«
    »Um die wahren Täter zu beschützen. Mehrere Häftlinge haben bereits Anzeige erstattet.«
    Léo schloss die Augen. Gewissheiten wurden erschüttert. Es fiel ihm schwer, sich damit abzufinden. Der Gedanke, dass ihn Maxime Kolbe verraten und manipuliert hatte, erschien ihm unfassbar. Selbst jetzt, wo ihm die Maske vom Gesicht gerissen und dessen ganze Hässlichkeit zum Vorschein gekommen war, behielt er die Hoffnung, die Ermittler hätten sich in der Person geirrt und einen Verfahrensfehler begangen, der dazu führte, dass Maxime zu Unrecht beschuldigt wurde, seine Seele und die der Kinder verkauft zu haben. Was er war und was er tat, verdankte er Maxime Kolbe. Er hatte ihm beigebracht, dass sein Leben nichts zählte, dass es nur darauf ankam, anderen das Leben zu retten. Wie konnte so jemand die ganze Zeit über lügen? Wie konnte er ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, zu einem blinden Werkzeug seines Willens machen? Ein Tränenschimmer stieg Léo in die Augen, aber er wollte nicht weinen.
    Zoé spürte die Verwirrung des Rekonvaleszenten und drückte seine Hand fester. Sie alle schwiegen einen Moment lang und genossen die Freude darüber, am Leben zu sein.
    »Du konntest es nicht wissen. Und selbst wenn Maxime Kolbe verurteilt wird, hat er aus dir doch einen ausgezeichneten Polizisten gemacht.«
    »Man hat mir kräftig unter die Arme gegriffen«, sagte er und lächelte Zoé

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