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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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weiß es. Und wieso? Weil solche Scheißaraber wie du nicht den Mumm haben, eine Sache durchzuziehen. Ich sag dir also noch mal: Lass mir das Mädchen.«
    »Und ich sag dir, dass deine weiße Nutte bei uns bleibt!«
    »Na schön, wenn du es nicht anders willst.«
    Das Gesicht von Rilk verwandelte sich von einer Sekunde zur nächsten in eine wutverzerrte Fratze. Blitzschnell griff er mit der Hand hinter seinen Rücken und zog seine Waffe. Den Hahn gespannt. Finger am Abzug.
    »Polizei! Mordkommission! Lass das Messer fallen, du Scheißkerl! Und Gesicht auf den Boden!«
    »Verdammt! Verdammt!«
    Der Kiefer des jungen Maghrebiners begann zu zittern, und seine Zähne klapperten. Er konnte seine Augen nicht von der Pistole abwenden, von dem schwarzen Loch. Das Messer entglitt seinen Fingern und fiel auf den Bahnsteig. Rilk schubste es beiseite und schlug mit dem Lauf seiner Waffe auf den Backenknochen des beur, wobei er ein haselnussgroßes Stück Wangenfleisch herausriss. Der Halbwüchsige rührte sich nicht.
    »Gesicht zum Boden!«
    Seine Füße wollten sich nicht bewegen, seinem Befehl nicht gehorchen. Der hypnotische Schrecken, den ihm die Halbautomatik einjagte, ließ ihn wie angewurzelt stehen.
    Rilk spürte, dass er die Kontrolle über sich verlor. Sein kaltes Blut begann zu kochen. Die Gewaltimpulse, die in seinem Kopf herumtanzten, bemächtigten sich seines Körpers, und er bekam jäh eine Erektion. Er senkte das Korn und drückte auf den Abzug. Das Knie platzte auf. Blandine schrie. Der junge Maghrebiner sackte zusammen und wurde ohnmächtig. Seine Kumpels zitterten wie Espenlaub.
    »Worauf wartet ihr? Zischt ab!«, brüllte Rilk und schoss aus nächster Nähe dem am Boden liegenden Jungen in den Fuß.
    Die Kugel trat auf der Höhe des Sprungbeins ein, markierte es mit einem blutigen Stigma und trat unter der Sohle wieder aus. Der Fuß verwandelte sich in gallertartigen Brei, aus dem roter Schaum spritzte.
    Der Kommissar genoss für den Bruchteil einer Sekunde ein starkes Lustgefühl, ehe ihm die Wirklichkeit einen Schlag versetzte.
    Was machte er da, verdammt? War er nicht mehr ganz bei Trost?
    Der ausgestreckt daliegende Junge schien in seinem eigenen Blut ertrunken zu sein, und Pothin war noch am Leben. Er hatte vor Zeugen und unter den unbestechlichen Augen der Überwachungskameras mit seiner Dienstwaffe geschossen. Scheiße. Er hatte gehandelt, ohne nachzudenken, ohne die Folgen zu berücksichtigen. Er hatte sich gehenlassen. Was war nur in ihn gefahren?
    Wie kam er aus dieser Falle wieder heraus?
    Die Eisenspitze, die sich in sein linkes Auge bohrte, riss ihn jäh aus seinen Gedanken.
    »Hagra! Hagra!«, schrie der Fixer und zog dabei den Metallstift aus dem Augapfel.
    Losgelöst von der Wirklichkeit, zu verstrahlt, um sich von der 9 mm beeindrucken zu lassen, kicherte er ins Leere, als er die Eisenstange betrachtete. Jean-François Rilk begriff nicht sofort, wie ihm geschah – sein Gehirn konnte die Sinneseindrücke nicht sofort verarbeiten. Sein Körper reagierte zuerst. Ein heftiger Krampf drehte ihm den Magen um, sodass er sich erbrach. Der Fixer wirbelte wie ein Verrückter mit der Eisenstange herum und schlug sie ungeschickt gegen das Schlüsselbein des Polizisten. Der gebrochene Knochen durchstieß in einem rechten Winkel die Haut. Rilk schrie und schrie, bis ihm die Laute im Hals stecken blieben. Die Pistole entglitt seinen Fingern. Als er versuchte, dem Angriff auszuweichen, rutschte er auf dem Blut seines Opfers aus und fiel hin.
    »HAGRA! Bullen-Schwuchtel! HAGRA!«
    Der Fixer lachte laut auf, verdrehte die Augen und schlug, einen Schwinger nachahmend, die Nase von Rilk zu Brei.
    Als die anderen Gangmitglieder sahen, dass sich das Kräfteverhältnis jetzt, wo die Bestie am Boden lag, umgekehrt hatte, überließen sie sich ihrer Grausamkeit und Zerstörungswut und feierten die grenzenlose Lust am Chaos in einem Bacchanal geschundenen Fleisches, gebrochener Knochen und geplatzter Organe. Mit jedem Fußtritt, den sie ihrem Opfer verpassten, fielen die letzten Hemmungen, und in blinder Wut wollten sie dieses Stück Dreck, das auf dem Beton des Bahnsteigs lag, nur noch ausbluten sehen.
    »Tanz, Bullen-Arsch! Tanz!«
    Blandine hielt es nicht mehr aus. Sie nahm all ihren Mut zusammen und begann zu laufen, getrieben von der absurden Furcht, Rilk könnte wieder aufstehen, um sie umzubringen, und der handfesteren Sorge, ihre unfreiwilligen Beschützer könnten sich gegen sie wenden. Sie rannte durch

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