Die Enden der Parabel
ein Mikrophon, Auch mein Haar gefällt mir sehr, Bin lieblich wie Vanilleeis, Bin Mister Debonair...,
schält er sich in einen grünen, subtil purpurkarierten französischen Anzug von gewagtem Schnitt, knüpft die großblumige Krawatte um, die er am Trente-et-quarante-Tisch gewonnen hat, schlüpft in weiße Söckchen und braune Schuhe mit weißer Spitze plus weißen Seitenteilen plus Golfnägeln, gibt sich durch einen mitternachtsblauen Schlapphut mit asymmetrisch hochgeklappter Krempe den letzten Schliff und ist, clickety clack durchs Foyer und raus aus dem Casino, unterwegs. Wirklich scharf schaut er aus. Kaum tritt er aus der Tür, löst sich ein drahtiger Zivilist, die verkleidete Secret-Service-Version eines Apachen, aus dem Schatten einer Nische in der Einfahrt und folgt Slothrops Wagen über die kurvenreiche, dunkle Straße zu Raouls Party.
[2.6] "Ich weiss viel. Nicht alles. Aber einiges, was Sie ..."
Stellt sich heraus, daß irgendein Spaßvogel hundert Gramm Haschisch in die Hollandaise gemischt hat. Das hat sich wie ein Lauffeuer rumgesprochen und zu einem Sturm auf die Brokkoli geführt. Die Braten liegen noch, erkaltend, auf den zimmerlangen Büfett-Tischen. Ein Drittel der Gesellschaft ist schon sanft entschlummert, die meisten auf dem Fußboden. Man muß sich zwischen Partyleichen durchfädeln, wenn man hinmöchte, wo was los ist. Was los ist, scheint nicht ganz klar. Draußen in den Gärten stecken die üblichen kleinen Klüngel ihre Köpfe zusammen und schieben. Ruhiger Abend heut abend. Ein homosexuelles Kleeblatt hat sich ein lautstarkes Eifersuchtsdrama angesoffen, mit dem es erfolgreich das Badezimmer blockiert. Draußen kotzen junge Offiziere zwischen die Zinnien. Paare schlendern umher. Zahllose Mädchen, samtbeschleift, schleierbeärmelt, unterernährt, schultergepolstert und dauergewellt, schnattern in einem halben Dutzend Sprachen, teils sonnenbraun von hier, teils bleich wie der Tod von östlicheren Kriegsschauplätzen. Beflissene Jünglinge mit lackledernen Haaren scharwenzeln um die Damen herum, während ältere Häupter ganz ohne Haare lieber abwarten, nur ein Minimum an Einsatz zeigen, Blicke und Mundbewegungen quer durch die Räume, und zwischenzeitlich von Geschäften reden. Eine Ecke des Salons wird von einer Tanzkapelle okkupiert. Ein abgehärmter Troubadour schmachtet mit wehenden Haaren und sehr rotgeränderten Augen:
JULIA (FOXTROTT) Julia,
Would you think me peculiar,
If I should fool ya,
Into givin' me - just-a-little-kiss?
Jool-yaaahh,
No one else could love you tru-lier,
How I'd worship and bejewel ya,
If you'd only give-me just-a-little-kiss!
Ahh Jool-yaaahhh
-My poor heart grows unrulier,
No one oolier or droolier,
Could I be longing for-What's more -
Julia,
I would shout hallelujah, To have my Jool-yaaahh, In-my-arms forevermore.
Dunkelweiche Saxophone, eine Park-Lane-Melodie, einfach perfekt für bestimmte Dämmerungszustände. Slothrop sieht Hilary Bounce, ein klares Opfer der halluzinogenen Hollandaise, neben Michele auf einen breiten Puff gestreckt, wo das Mädchen wohl seit zwei, drei Stunden sein I.G.-Farben-Geschmeide befingert. Slothrop winkt, aber sie sehen ihn beide nicht.
Kiffer und Schlucker drängeln sich schamlos um die Büfetts und in die Küchen, durchstöbern Schränke, lecken Kasserollen aus. Eine Nacktbadepartie schnürt im Gänsemarsch in Richtung Strandtreppe vorbei. Gastgeber Raoul schweift mit einem riesigen Stetson, einem Tom-Mix-Hemd, einem Paar Sechsschüsser und einem Percheron-Pferd am Zügel durch die Räume. Das Pferd äpfelt auf den BucharaTeppich und einen lang hingeschlagenen Gast. Völlig diffus das Ganze, ohne
Brennpunkt, bis plötzlich die Kapelle einen sarkastischen Tusch losläßt und der finsterste Kleiderschrank eintritt, den Slothrop jemals außerhalb eines Frankensteinfilms gesehen hat. Er trägt einen weißen Zoot-Anzug mit messerscharfen Bügelfalten und einer langen goldenen Uhrkette, die blitzende Wellen wirft, als er den Raum
mit einem mißmutigen Blick für jedermann durchquert - unverkennbar in Eile, aber alle anwesenden Körper und Gesichter taxierend, wobei sein Kopf methodisch und ein wenig unheilschwanger hin und her pendelt. Zuletzt bleibt er vor Slothrop stehen, der selber gerade eine Shirley Temple abzieht.
"Du." Ein Zeigefinger von Maiskolbengröße einen Zoll vor Slothrops Nase. "Na klar", Slothrop läßt eine Maraschinokirsche auf den Teppich fallen und zerquetscht sie, als er einen Schritt
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