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Die Enden der Parabel

Titel: Die Enden der Parabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Pynchon
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von einer ganzen Wagenladung weißer Bürgerwehrmänner aus Whittier verfolgt, gestellt und zusammengeschlagen, während die Polizei von L. A. zusah, gute Ratschläge brüllte und ihn anschließend wegen Störung des öffentlichen Friedens festnahm. Der Richter stellte die Zoot-Anzügler vor die Wahl zwischen Army und Gefängnis. Ricky entschied sich für die Armee, wurde auf Saipan verwundet, kriegte Wundbrand, mußte sich den Arm amputieren lassen, ist jetzt wieder daheim, mit einem Mädchen verheiratet, das in der Küche einer Kneipe in San Gabriel arbeitet, kann selber keine Arbeit finden, säuft den ganzen Tag wie ein Loch ... Sein alter Zoot aber, wie die Zoots von Tausenden, die in jenem Sommer geschnappt wurden und ihre Anzüge an den Kleiderhaken sämtlicher mexikanischen Türen von L. A. zurücklassen mußten, wurde aufgekauft und hat seinen Weg übers Meer auf diesen schwarzen Markt gefunden, ein kleiner Profit, der keinem weh tut, oder, die Anzüge wärn doch nur nutzlos rumgehangen in diesen Zimmern mit geschlossenen Läden vor der weißen Sonne, die jeden Tag auf ausgedörrte Palmen und verschlammte Sielen brennt, in fettigem Rauch und Babygeruch in diesen fliegenbevölkerten und leeren Zimmern ...

[2.7] Imipolex G, S-Gerät, Slothrop in Zürich

    Imipolex G hat sich als nichts Geheimnisvolleres erwiesen als ein neuer Kunststoff, nicht mehr, nicht weniger: ein aromatisches, heterozyklisches Polymer, das 1939, Jahre vor seiner Zeit, von einem L. Jamf für die I.G. Farben entwickelt worden ist. Es zeichnet sich durch Formbeständigkeit bei hohen Temperaturen aus, bis hinauf zu 900 Grad Celsius, und vereint hohe mechanische Festigkeit mit einem niedrigen elektrischen Verlustfaktor. Strukturell besteht es aus vernetzten Ketten von
    Benzolringen, Sechsecken wie jenem goldenen über Hilary Bounces Bauch, die hier und da mit dem alternieren, was man heterozyklische Ringe nennt. Die Wurzeln von Imipolex G reichen zurück in die Pionierzeit der Forschung bei Du Pont. Die Künstlichen Stoffe haben ihre eigene Tradition und ihren Hauptstrom, der über Du Pont und deren berühmten Angestellten Carothers fließt, den Großen Synthetiker. Seine klassischen Arbeiten mit Makromolekülen in den zwanziger Jahren führten uns direkt zu Nylon, das nicht nur den Fetischisten zu entzücken und dem bewaffneten Aufrührer die Arbeit zu erleichtern vermag, sondern auch, für sein System und seine Zeit, den zentralen Kanon der Künstlichen Stoffe verkündigte : daß die Chemiker nicht länger angewiesen waren auf die Gnade der Natur. Daß sie jetzt selbst entscheiden konnten, welche Eigenschaften sie einem Molekül verleihen wollten, um es dann nach ihren eigenen Plänen zu synthetisieren. Bei Du Pont bestand der nächste Schritt nach Nylon darin, Benzolringe in die Polyamidkette einzubauen. Schon bald war eine ganze Familie von "aromatischen Polymerisaten" entstanden: aromatische Polyamide, Polykarbonate, Polyäther, Polysulfane. Die technologische Eigenschaft, auf die es den Entwicklern am meisten anzukommen schien, war die mechanische Festigkeit, jene Kraft, die an erster Stelle stand in der tugendhaften Dreieinigkeit der Künstlichen Stoffe, "Kraft, Standfestigkeit, Weiße" (was so oft für eine Naziparole gehalten wurde und auch kaum zu unterscheiden war auf den regenglänzenden Mauern, wenn eine Straße weiter krachend der Bus anfuhr und Straßenbahnzüge kreischend über ihre Schiene rieben, die meisten Menschen schweigend durch den Regen eilten, die Abenddämmerung sich zur Textur von Pfeifenrauch vertiefte und die Hände der jungen Passanten nicht in Ärmelmanschetten steckten, sondern tief in Taschen, als beherbergten sie Zwerge bei sich oder wären ekstatisch aus ihrem Stundenplan heraus in eine taktile Affäre mit Innenfuttern gerissen, die sogar noch verführerischer waren als das neue Nylon...). L. Jamf, neben anderen, machte den logischen, dialektischen Vorschlag, die Benzolringe mit riesigen "heterozyklischen" Ringen alternieren zu lassen, die aus Abschnitten der ursprünglichen Polyamidkette geschlossen werden konnten. Dieses Prinzip ließ sich auf andere Ausgangsmoleküle übertragen. Das benötigte Monomer mit hohem Molekülgewicht war problemlos zu synthetisieren und brauchte nur zu einem heterozyklischen Ring gebogen, geschlossen und, abwechselnd mit den "natürlicheren" Benzolringen, in eine Molekülkette eingebaut zu werden. Solche Ketten bezeichnete man als "aromatische, heterozyklische Polymerisate".

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