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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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hätte man den Fremden als gut aussehend bezeichnen können, doch die Leere in seinem Blick ließ Honor erschauern. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie völlig allein auf der Straße unterwegs waren. Sie bezweifelte, dass Thomas ein Gewehr dabeihatte, das mit der Waffe standhalten konnte, die der Mann demonstrativ an der Hüfte trug.
    Falls Thomas sich ähnliche Gedanken machte, verriet er das mit keiner Miene. »Tag, Donovan.«
    Der Mann lächelte, eine Mundbewegung, an der das übrige Gesicht keinen Anteil hatte. »Der alte Thomas und ein Quäkermädchen. Ist sie doch, oder?« Er streckte die Hand aus und hob den Rand von Honors Haube an. Als sie zurückschreckte, lachte er. »Ich schau ja nur. Sagen Sie Ihren Quäkerbekannten ruhig, dass sie sich die Mühe sparen können, Nigger als Quäker zu verkleiden. Den Trick kenne ich schon, er hat einen langen Bart.«
    Er zog seinen verbeulten Hut und nickte Honor zu, die ihn verwirrt anstarrte. Was wollte er damit sagen?
    Â»Vor einer Quäkerin musst du nicht den Hut ziehen«, sagte Thomas. »Die halten nichts davon.«
    Â»Ich lass mir doch meine guten Manieren nicht ausreden, nur weil ein Quäkermädchen nichts davon hält«, schnaubte der Mann. »Sie haben sicher nichts dagegen, dass ich meinen Hut vor Ihnen ziehe, oder, Miss?«
    Honor zog den Kopf zwischen die Schultern.
    Â»Siehst du, sie hat nichts dagegen.« Der Mann streckte sich. Das kragenlose weiße Hemd unter seiner braunen Weste war von Schweißflecken übersät.
    Â»Können wir dir irgendwie behilflich sein?«, fragte Thomas. »Wenn nicht, müssen wir weiter. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.«
    Â»So, ihr habt’s eilig? Wo geht’s denn hin?«
    Â»Ich nehme die junge Frau mit nach Wellington«, sagte Thomas. »Sie ist aus England nach Ohio gekommen, aber in Hudson hat sie ihre Schwester verloren. Gelbfieber. Du siehst doch ihre Tränen. Sie ist in Trauer.«
    Â»Sie kommen aus England?«
    Honor nickte.
    Â»Dann sagen Sie mal was. Mir hat schon immer der englische Akzent gefallen.«
    Â»Na, machen Sie schon, sagen Sie was«, drängte der Mann, als Honor zögerte. »Was? Zu stolz, um mit mir zu reden? Sagen Sie: ›Wie geht’s, Donovan‹.«
    Honor wollte den Mann nicht erzürnen, indem sie weiter schwieg, deshalb blickte sie ihm fest in die Augen und sagte: »Wie geht es, Mr Donovan?«
    Â» Mr Donovan ? Dem geht es prima, danke. Mich hat schon seit Jahren keiner mehr Mr Donovan genannt. Ihr Quäker seid schon ein komisches Volk. Und, wie heißt du, Mädchen?«
    Â»Honor Bright.«
    Â»Honor, wie Ehre? Und, machst du deinem Namen auch
    Ehre? «
    Â»Das Mädchen musste gerade ihre Schwester in einem fremden Land beerdigen, da könntest du schon ein wenig netter sein«, mischte sich Thomas ein.
    Â»Was ist da drin?« Donovans Ton war mit einem Mal umgeschlagen und schärfer geworden. Er deutete auf Honors Truhe, die auf der Ladefläche des Wagens stand.
    Â»Die Sachen von Miss Bright.«
    Â»Ich werd mal kurz reinschauen. Die Truhe hat die perfekte Größe für einen versteckten Nigger.«
    Thomas runzelte die Stirn. »Es gehört sich nicht, dass ein Mann in den Sachen einer jungen Dame wühlt. Miss Bright wird dir sagen, was in der Truhe ist. Du weißt doch, dass Quäker nicht lügen, oder?«
    Donovan blickte Honor erwartungsvoll an, die verwirrt den Kopf schüttelte. Sie hatte sich noch immer nicht davon erholt, dass Donovan ihr an die Haube gefasst hatte, und konnte der Unterhaltung kaum folgen.
    Doch ehe sie sichs versah, war Donovan von seinem Pferd auf den Wagen gesprungen. Die Angst fuhr Honor in den Magen wie ein Messer, denn Donovan war ein Hüne, viel größer, stärker und schneller als sie und Thomas zusammen. Als Donovan bemerkte, dass die Truhe verschlossen war, hielt sie ihm vor lauter Angst gleich den Schlüssel hin, den sie während der ganzen Reise an einem dünnen grünen Band um den Hals getragen hatte.
    Donovan klappte den Deckel auf und zog den Quilt heraus, den Honor mit nach Amerika gebracht hatte. Sie rechnete damit, dass er ihn beiseitelegen würde, doch er schüttelte ihn aus und drapierte ihn über die Ladefläche. »Was ist das denn?«, fragte er und musterte den Quilt. »Ich hab noch nie Schrift auf einer Steppdecke gesehen.«
    Â»Das ist ein

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