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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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frisch genug war, um dankbar für den Quilt zu sein. Sie fuhr mit der Hand über die Decke: Im Unterschied zu fast allen amerikanischen Quilts, die sie bisher gesehen hatte, war er nicht appliziert oder aus Blöcken zusammengesetzt, sondern ein richtiges englisches Patchwork, noch dazu gut gemacht. Obwohl der Stoff schon verblichen war, wies der Quilt weder Risse noch lose Nähte auf. Im Zentrum waren orangefarbene, gelbe und rote Rauten zu einem Stern zusammengesetzt – ein »Stern von Bethlehem« wie auf Biddys Quilt. Donovan hatte behauptet, seine Mutter habe solche Quilts gemacht. Bei der Erinnerung an die Begegnung mit ihm fröstelte es Honor.
    Das Zimmer, in dem ihr Bett stand, war zwar recht groß, schien aber eher ein Lagerraum als ein Schlafzimmer zu sein. An der Wand lehnten Stoffballen, die meisten waren weiß, aber es gab auch ein paar bunte, karierte oder Blumenmusterstoffe. Aus den offenen Schubladen einer Kommode quollen Handschuhe, Bänder, Drähte, Spitzen und bunt gefärbte Federn. In einer Zimmerecke standen seltsame, glatt geschliffene Holzblöcke in ovalen und zylindrischen Formen, daneben stapelten sich ovale und runde Ringe, die wie Räder oder Donuts aussahen. Einige waren aus Holz, andere aus einem harten weißen Material, das Honor nicht kannte. Sie beugte sich vor, um alles genauer in Augenschein zu nehmen. Die Holzblöcke hatten Ähnlichkeit mit Köpfen. Da fiel ihr ein, dass Thomas sie am Vorabend vor einem Laden abgesetzt hatte. Es war schon spät gewesen, Honor war hineingegangen, hatte aber vor Müdigkeit ihre Umgebung kaum noch wahrgenommen. Doch jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Sie befand sich im Lagerraum einer Putzmacherin.
    Quäkerinnen trugen keine Hüte, sondern nur schlichte Hauben und Schuten, die sie in der Regel selbst nähten. Honor war nur gelegentlich im Laden der Putzmacherin in Bridport gewesen, um Bänder zu kaufen, am Schaufenster war sie jedoch oft vorbeigegangen und hatte einen Blick auf die neusten Modelle auf den Ständern geworfen. Der Laden selbst war ein ordentlicher, von Frauenhand eingerichteter Raum gewesen, dessen Bodendielen in einem enteneierblauen Farbton gestrichen waren. In den langen Wandregalen hatten sich die Hüte und Hauben gestapelt.
    Auf der Kommode mit dem Nähzubehör entdeckte Honor einen mit rosaroten Rosen bemalten Porzellankrug in einer dazu passenden Schüssel, eine Kombination, die ihr schon aus den Häusern in Pennsylvania vertraut war. Sie wusch sich, kleidete sich an und strich sich die dunklen Haare glatt, um ihre Haube aufzusetzen, doch die war verschwunden. Bevor sie nach unten ging, schaute Honor aus dem Fenster. Es ging auf eine Straße hinaus, auf der viele Fußgänger, Pferde und Wägen unterwegs waren. Honor war erleichtert, dass sie nach dem langen Tag auf der einsamen Waldstraße wieder unter Menschen war.
    Leise ging sie die Treppe hinunter und kam in eine kleine Küche. Im Herd brannte Feuer, es gab einen Tisch, Stühle und eine Anrichte mit ein paar Geschirrstücken. Der Raum schien nicht oft genutzt zu werden, offenbar wurde in diesem Haushalt selten gekocht. Die Hintertür stand offen und ließ eine Brise herein, die durch die Küche in den vorderen Raum zog. Honor folgte dem Luftzug ins Herz des Hauses. Der Raum, in den sie gelangte, war voller Menschen. Honor blieb in der Tür stehen und ließ den Anblick auf sich wirken. Der Laden war dem Geschäft der Putzmacherin in Bridport in vielem sehr ähnlich: Hüte und Hauben in den Regalen an den Wänden, und auf den im Raum verteilten Tischen auf Ständern drapierte Hüte. In Glasvitrinen waren Handschuhe, Kämme und Hutnadeln ausgestellt. An einer Wand hing ein großer Spiegel, und zwei Schaufenster ließen den Raum hell und freundlich wirken. Im Unterschied zur Putzmacherei von Bridport waren die Bodendielen in diesem Laden jedoch nicht gestrichen, sondern von den Schritten zahlreicher Kundinnen abgescheuert und glatt geschliffen worden. In einer Ecke des Raums stand ein Arbeitstisch mit Kopfbedeckungen in verschiedenen Herstellungsstadien. Strohrohlinge waren über Holzblöcke gezogen und nahmen beim Trocknen langsam Form an; an Ringe genähte Krempen warteten auf ihren Kopfteil, und fast fertige Hüte mussten noch mit Band besetzt werden. In einem Gewirr aus Bändern und Drähten entdeckte Honor einen Stapel Seidenblumen. Auf dem Tisch

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