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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Signaturquilt«, erklärte Honor. »Freunde und Familienmitglieder fertigen die einzelnen Blöcke an und sticken ihre Namen ein. Ich habe ihn zum Anlass meines Umzugs nach Amerika geschenkt bekommen. Zum Abschied.«
    Jeder Block bestand aus braunen, grünen und cremefarbenen Quadraten und Dreiecken, in deren Zentrum sich jeweils ein weißer Flicken mit der Signatur der Näherin befand. Ursprünglich war der Quilt für Grace bestimmt gewesen, doch als Honor in letzter Minute beschlossen hatte, ebenfalls nach Amerika zu gehen, hatten die Frauen die Anordnung der Namen umgestellt, sodass sich jetzt Honors Name in der Mitte befand. In den Blöcken um ihren Namen standen die Namen von Familienmitgliedern und weiter außen die von Freunden. Gequiltet war er in einem schlichten Rautenmuster, und da die Qualität der Stiche je nach Näherin stark variierte, war er kein Meisterwerk geworden. Honor hätte ein anderes Muster vorgezogen, trotzdem würde sie den Quilt niemals aus der Hand geben: Er war für sie persönlich gemacht worden, als Erinnerung an ihre Gemeinde daheim.
    Donovan hockte auf der Ladefläche und musterte den Quilt so gründlich, dass sich Honor fragte, ob sie etwas Falsches gesagt hatte. Sie blickte Donovan fragend an, doch er wirkte nicht verärgert.
    Â»Meine Mutter hat auch Steppdecken genäht«, sagte er schließlich und fuhr mit dem Finger über einen Namen – Rachel Bright, eine Tante von Honor. »Aber die sehen alle anders aus als diese hier. Bei ihr gab es immer einen großen Stern in der Mitte, der aus vielen kleinen Rauten zusammengesetzt war.«
    Â»Das Muster nennt man ›Stern von Bethlehem‹.«
    Â»Ach, ja?« Donovan blickte sie an; seine braunen Augen wirkten nicht mehr ganz so eisig.
    Â»Ich habe selbst schon einen gemacht«, fügte sie hinzu und dachte an den Quilt, den sie Biddy überlassen hatte. »Es ist ein ziemlich kompliziertes Muster, weil die Spitzen der Rauten ganz genau ineinanderpassen müssen. Man muss sehr akkurat arbeiten. Ihre Mutter war sicher eine sehr gute Näherin.«
    Donovan nickte, dann packte er den Quilt und steckte ihn zurück in die Truhe. Er schloss sie ab und sprang vom Wagen. »Ihr könnt weiterfahren.«
    Ohne ein Wort zu verlieren, schnalzte Thomas mit den Zügeln, und die Stute erwachte wieder zum Leben. Schon in der nächsten Minute ritt Donovan wieder neben ihnen.
    Â»Willst du dich in Wellington niederlassen?«
    Â»Nein«, erwiderte Honor. »In Faithwell, in der Nähe von Oberlin. Dort lebt der Verlobte meiner verstorbenen Schwester.«
    Â»Oberlin!« Donovan spuckte aus, dann schlug er seinem Hengst die Hacken in den Bauch und preschte davon. Honor war erleichtert. Sie hätte es nicht ausgehalten, wenn er den ganzen Weg bis Wellington neben ihnen hergeritten wäre.
    Das Hufgetrappel hing noch einige Minuten in der Luft, wurde leiser und leiser und verhallte schließlich ganz. »Na gut«, sagte Thomas leise. Er stampfte zweimal mit dem Fuß auf und schnalzte mit den Zügeln über den Rücken des Pferdes. Den Rest der Reise über summte er nicht mehr.
    Erst viele Meilen später bemerkte Honor, dass Donovan ihr den Schlüssel zur Truhe nicht zurückgegeben hatte.

Belle Mills’ Putzmacherei
    Main Street
    Wellington, Ohio
    30. Mai 1850
    Sehr geehrter Mr Cox,
    Honor Bright, die Schwester Ihrer Verlobten, hält sich hier bei mir auf. Leider muss ich Ihnen sagen, dass Ihre Auserwählte verstorben ist. Gelbfieber.
    Honor braucht noch ein paar Tage Ruhe, aber könnten Sie bitte so gut sein, sie kommenden Sonntag am Nachmittag abzuholen?
    Mit den besten Grüßen,
Belle Mills

Hauben
    Honor hatte mittlerweile in so vielen fremden Betten geschlafen, dass sie nach ihrer ersten Nacht in Wellington beim Aufwachen nicht mehr wusste, wo sie war. Ihr Kleid und ihr Umschlagtuch hingen über einem Stuhl, aber sie hatte keine Erinnerung daran, sich ausgezogen und die Sachen dorthin gehängt zu haben. Sie setzte sich im Bett auf. Sicher war es längst kein früher Morgen mehr, ihre übliche Aufstehzeit. Sie hatte ein Baumwollnachthemd an, das ihr zu lang war, und über ihr lag ein leichter Quilt.
    Wo immer sie auch sein mochte, es war zweifelsohne in Amerika. Honor erkannte es am Sonnenlicht, das satter und gleißender vom Himmel fiel als in England. Es sah nach einem heißen Tag aus, auch wenn es im Moment noch

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