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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Zukunft stattfinden würde. Bei dem Gedanken zog sich Honors Magen zusammen.
    Sie warf einen Blick in Belles Zimmer. Belle schlief auf dem Rücken, und ihre knochigen Umrisse zeichneten sich deutlich unter dem alten, sich allmählich auflösenden Quilt ab. Es war ein Patchwork aus roten und braunen Dreiecken und Quadraten, die zu achtzackigen Sternen zusammengesetzt waren. Das Muster nannte sich »Stern von Ohio«. Honor hatte Belle angeboten, die aufgerissenen Nähte zu flicken, doch Belle hatte nur mit den Schultern gezuckt. »Zeitverschwendung.« Im Schlaf wirkte ihr Gesicht noch hagerer. Über den deutlich vorstehenden Wangenknochen spannte sich die Haut so stark, dass sie fast durchsichtig wirkte. Der gelbliche Teint war ins Gräuliche verblasst. Belle sah aus, als würde sie in einem Sarg liegen. Honor unterdrückte ein Schluchzen und verließ rasch das Zimmer.
    Unten in der Küche lief sie zum Herd und starrte in den Maisbrei, den sie fürs Frühstück vorbereitet hatte. Sie war schon seit drei Stunden auf den Beinen, weil Comfort sie früh geweckt hatte, und wartete darauf, dass Belle endlich wach wurde und sie gemeinsam frühstücken konnten. Obwohl Belle in letzter Zeit kaum noch etwas aß, frühstückte Honor lieber in Gesellschaft. Doch jetzt hatte der Blick auf die schlafende Freundin auch ihr den Appetit genommen. Honor schob den Topf nach hinten auf den Herd und legte einen Teller darüber, um den Brei warm zu halten.
    Comfort schlief in ihrer Wiege. Ausnahmsweise wünschte Honor sich, ihre Tochter würde aufwachen, damit sie sie auf den Arm nehmen konnte. Sie setzte sich auf den geradlehnigen Stuhl mitten in der stillen Küche und schloss die Augen. Seit sie bei Belle wohnte, hatte sie nur selten Gelegenheit, ganz ruhig zu sitzen und zu sich zu kommen. Ohne die Kraft und Konzentration, die sie während der Andacht im Schoß der Gemeinde spürte, fiel ihr das Stillwerden ohnehin sehr schwer. Das gemeinsame Schweigen war von einer aufmerksamen, auf ein Ziel gerichteten Erwartung geprägt; doch wenn Honor allein war, fühlte die Stille sich leer an, als suche sie nicht entschlossen genug oder am falschen Ort.
    Honor saß lange da. Geräusche, die sie unter normalen Umständen gar nicht wahrgenommen hätte, rissen sie immer wieder aus ihrer inneren Versunkenheit: die knisternden Scheite im Ofen; das leise Knacken von trocknendem Holz irgendwo im Haus; das Hufgeklappper eines Pferdes oder das Knirschen von Wagenrädern draußen auf der Straße. Honors Gedanken wanderten zu dem Kinderbettquilt, den sie als Nächstes nähen wollte. Ob die Rosetten, an denen sie den ganzen Sommer über gearbeitet hatte, zu Comfort passen würden? In Honors Augen wirkten sie sehr englisch, aber Comfort war keine Engländerin.
    Da hörte sie plötzlich ein Kratzen an der Hintertür und öffnete die Augen. Durch das kleine Fenster in der oberen Türhälfte sah sie die Krone eines braunen Filzhuts, der mit roten und orangefarbenen Ahornblättern geschmückt war.
    Schnell sperrte Honor die Tür auf. »Jetzt wird es aber Zeit, dass Sie mich reinlassen«, sagte Mrs Reed. »Es sollte mich keiner sehen.« Sie trat an Honor vorbei in die Küche. »Nun sperren Sie schon wieder ab«, befahl sie, denn Honor war so überrascht, dass sie immer noch mit der Hand am Knauf der offenen Tür dastand.
    Mrs Reed trug einen Männermantel und darüber ein braunes Umschlagtuch. Ihre Mundwinkel zeigten wie üblich nach unten, und die Unterlippe war leicht vorgeschoben. Sie wischte sich die Brille mit einem Ende des Tuchs ab und sah sich dann in der Küche um. Als sie die Wiege erblickte, erhellte sich ihr Gesicht. Genauso hatte sie damals, bei Honors Besuch in Oberlin, auch ihre Enkelin angesehen. Diese Frau hat ein Herz für Babys, dachte Honor. Mochte sie anderen gegenüber auch noch so unwirsch und argwöhnisch wirken, ein Baby konnte ihr immer ein Lächeln entlocken. Mrs Reed beugte sich über die Wiege. »Hallo, mein Mädchen, du schläfst ja wie ein Engelchen. Bestimmt ist das nicht immer so. Ich hab schon von dir gehört, sicher wirst du mir bald zeigen, was in deinen kleinen Lungen steckt. Ach Comfort, du bist ein echter Trost für deine Mama, das bist du.«
    Â»Wollen Sie sich setzen?« Honor bot Mrs Reed den Schaukelstuhl an. Sie hoffte, dass die Besucherin Comfort nicht aufgeweckt

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