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Die englische Freundin

Die englische Freundin

Titel: Die englische Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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ein weinrotes Kleid. »Eine Kundin möchte, dass du ihr den Saum unten und an den Ärmeln auslässt.«
    Honor nähte den ganzen Tag. Zuerst änderte sie das Kleid, dann arbeitete sie an einem Mädchenrock. Die ganze Zeit musste sie an die drei Flüchtlinge denken, die zusammengepfercht in der winzigen Kammer hinter dem Holzstapel hockten. Wie dunkel und ungemütlich es dort sein musste, wo sie nichts als Holzspreißel und Mäuse zur Gesellschaft hatten. Andererseits war es vielleicht immer noch besser als ein Versteck im kalten Wald.
    Belle wirkte aufgedreht und war wie von einer nervösen Energie durchdrungen. Sie half den Kundinnen, Hüte und Hauben aufzuprobieren, entfernte den sommerlichen Blumenschmuck von manchen Ausstellungsstücken, weil er nicht in die kalte Jahreszeit passte, und nahm Maß für Winterfutter. Wenn es im Laden ruhig war, arbeitete sie am Tisch in der Ecke und nähte gelben Netzstoff an den braunen Filzhut, den sie vorher geweitet hatte. Hin und wieder trat sie ans Fenster, um auf die Straße hinauszublicken.
    Als Honor ihr die geänderten Kleider reichte, bemerkte sie, dass Belle eine vertraute graue Haube in der Hand hielt. Die schon leicht ausgeleierten gelben Bänder hatte sie bereits durch ein breites graues Band ersetzt, das oben über die Haubenkrone lief. Wenn man an den beiden Enden zog und sie straff unterm Kinn zusammenband, legte sich die Krempe der Haube tief und eng ums Gesicht der Trägerin. Den Krempenrand hatte Belle mit weißer Spitze eingefasst, unter der das gelbe Futter nicht mehr zu sehen war. Jetzt war die Haube endgültig zu schick für Honor, und erst recht für Virginie. Keine schwarze Frau trug so aufwendigen Kopfschmuck.
    Honor blickte fragend auf die Haube, doch Belle zuckte nur mit den Schultern und summte leise vor sich hin. Es war die Melodie des Liedes, das Virginie am Vorabend für Comfort gesungen hatte.
    Â»Ist das ein Kirchenlied?«
    Â»Nein, nur ein Lied, das man in den Feldern des Südens hört. Die Schwarzen singen es bei der Arbeit, um sich bei Laune zu halten.«
    Als Belle später am Tag die Lampen anzündete, traten drei Frauen in den Laden, die von mehreren jungen Mädchen begleitet wurden. »Kümmere dich um sie, Honor«, sagte Belle und ging in Richtung Küche. »Ich bin gleich zurück.«
    Honor blickte ihr überrascht nach. Es war ungewöhnlich, dass Belle den Laden verließ, wenn so viele Kundinnen da waren. Die Frauen und Mädchen waren recht lebhaft und probierten so viele verschiedene Hüte und Hauben auf, dass Honor gar nicht mehr mit dem Wegräumen hinterherkam. Mittendrin begann auch noch Comfort zu weinen, doch bevor Honor sich zur Wiege umdrehen konnte, hatte schon eines der Mädchen sie aufgenommen und lief mit ihr im Hüpfschritt durch den Laden. Das war etwas völlig Neues für Comfort, und vor Überraschung hörte sie auf zu weinen. Die anderen Mädchen scharten sich um das Baby. Es schienen noch mehr geworden zu sein, und sie lärmten, lachten und spielten um Honors Tochter herum.
    In der Ferne erklang das schrille Pfeifen des herannahenden Zugs. »Kommt, Mädchen, wir gehen«, rief eine der Frauen. Auf der Stelle wurde Honor ihr Baby gereicht, und das Mädchen, das Comfort auf dem Arm getragen hatte, nahm stattdessen eins der kleineren Kinder an die Hand. Auch die anderen stellten sich jeweils zu zweit nebeneinander auf und fassten sich bei den Händen. Als sie durch die Tür liefen, drehte sich eins der Mädchen zu Honor um. Sie trug eine Haube mit einer breiten, tief ins Gesicht gezogenen Krempe und einen Schal, unter dem Hals und Kinn fast ganz verschwanden. Obwohl nur ein schmaler Streifen dunkler Haut sichtbar war, erkannte Honor eine von Virginies Zwillingstöchtern, doch draußen in der Dämmerung würde sie nicht von den weißen Mädchen zu unterscheiden sein. Honor lächelte ihr zu, doch das Mädchen schien viel zu viel Angst zu haben, um etwas zu sagen.
    Auch das andere Zwillingsmädchen verließ den Laden inmitten der Gruppe, und es wurde mit einem Schlag still. Nur eine Frau war zurückgeblieben. Im nächsten Moment trat Belle in den Raum und zog Virginie hinter sich her. Die entflohene Sklavin trug das weinrote, von Honor geänderte Kleid und darüber ein großes Tuch. Die graugelbe Haube hatte sie sich so fest unterm Kinn zusammengebunden, dass ihr Gesicht von der

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