Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
bedenken ist allerdings, dass sie Interpretationen enthalten, die mehr oder weniger stark subjektiv oder normativ gefärbt sind. Gemälde sind ebenfalls wichtige, aber auch keine objektiven Quellen zur Landschaftsgeschichte. Sie enthalten Bewertungen des Künstlers; ihm stand es ja frei, bestimmte Elemente auf seinem Bild zu betonen, indem er sie beispielsweise größer darstellte, oder eine Staffage zur Landschaftsszenerie hinzuzufügen. Sie erfüllt nicht immer nur dekorative Zwecke, sondern mit ihr oder durch sie kann eine besonders bedeutsame gemalte Struktur hervorgehoben werden, etwa dann, wenn eine Figur auf einen Gegenstand hinweist.
Wichtige Hinweise geben Gemälde darauf, was man in bestimmten Zeiten als malerisch empfand und was man für so wertvoll hielt, dass es zum Bildmotiv wurde. Quellen zur Landschaftsgeschichte sind auch Darstellungen von Metaphern auf den Bildern. Eine solche Bedeutung können beispielsweise der Wald oder Einzelbäume haben, die Caspar David Friedrich auf die Leinwand bannte. Seine Bilder entsprechen keinen realen Szenerien, sondern sind metaphorische Darstellungen des für natürlich, wild oder erhaben Gehaltenen. Die Darstellungen erlauben also wichtige Rückschlüsse auf das Verhältnis von Menschen zu ihrer Umwelt in der Zeit, in der ein Gemälde entstand.
Zu den bewerteten Quellen, die einen früheren Zustand von Landschaft deutlich machen, gehören ferner sämtliche Konstruktionen von Landschaft, die aus archivalischen oder archäologischen Funden abgeleitet wurden. Sie werden oft Rekonstruktionen genannt, sind aber in Wahrheit keine Wiederherstellungen, sondern Neukonstruktionen, die auf der Basis von Interpretationen zu Fakten oder Befunden entstanden. Zu ihnen gehören Darstellungen zur Siedlungsgenese, zur Bau- oder Flurrückschreibung.
Alle diese Analysen, so unterschiedlich die damit verbundenen Methoden auch sind, haben eines gemeinsam: Sie sind Basis für Momentaufnahmen oder Tableaus. Stehen mehrere Tableaus zur Verfügung, die auf methodisch vergleichbaren Wegen ermittelt wurden, kann daraus eine Zeitreihe zusammengesetzt werden, aus der sich die Entwicklung einer Landschaft ablesen lässt.
Analyse von Zeitreihen
Zeitreihen bestehen beispielsweise, wenn mehrere aufeinanderfolgende Zustände von Bauten oder Fluren im Gelände dokumentiert sind (was selten der Fall ist) oder wenn mit geologischen oder bodenkundlichen Methoden eine gesamte Stratigraphie untersucht werden kann: Im Allgemeinen liegen ältere Schichten unter jüngeren, wenn es zu einer sukzessiven Ablagerung von Sedimenten gekommen ist. Allerdings können scharfe Schichtgrenzen auf eine mehr oder weniger lange Sedimentationspause verweisen. Die Schichten können auch nach der Ablagerung gekippt oder gedreht worden sein.
Wenn man ökologische Erhebungen, beispielsweise pflanzensoziologische Aufnahmen, in bestimmten Abständen am immer gleichen Ort wiederholt, bringt man in Erfahrung, wie sich die Vegetation im Lauf der Zeit verändert; man betreibt dann Sukzessionsforschung. Sogenannte Dauerquadrate, an denen pflanzensoziologische Aufnahmen mehrfach wiederholt wurden, existieren erst seit wenigen Jahrzehnten. [41] Einzelne Hinweise auf Änderungen der Vegetation können aus der Untersuchung älterer Herbarien abgeleitet werden; entsprechend gibt es Hinweise auf die sich verändernde Tierwelt. Typen von Fossilien lassen sich ebenfalls zu Reihen zusammensetzen; daraus kann der Gang der Evolution abgeleitet werden, der sich im Raum oder in der Landschaft im Lauf von langen Zeiträumen abgespielt hat.
Ein besonders gutes Verfahren, mit dem sich der natürliche Wandel in Zeiträumen von Jahrhunderten oder Jahrtausenden untersuchen lässt, ist die Pollenanalyse. Vorzugsweise untersucht man die Ablagerungen von Pollenkörnern in Sedimenten, die sukzessive abgelagert wurden, beispielsweise in Torf aus Mooren oder in Ton, der sich am Grund von Seen absetzte. Die dünnen Außenwände der nur unter dem Mikroskop erkennbaren Pollenkörner halten sich unter Luftabschluss über Jahrtausende. Sie sehen je nach Pflanzenart unterschiedlich aus; an den Pollenkörnern lässtsich unter dem Mikroskop erkennen, von welchen Pflanzenarten sie stammen. Wenn man sie Schicht für Schicht determiniert und den Wandel ihrer Häufigkeiten feststellt, kann man den Vegetationswandel exzellent erfassen
(Abb. 3–3)
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Die meisten gefundenen Pollenkörner wurden vom Wind aus der näheren Umgebung des Ortes herbeigeweht, an dem sie,
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