Die Entdeckung der Landschaft - Einführung in eine neue Wissenschaft
Landschaft
Eine Landschaft besteht in der Gegenwart. Wenn man allerdings nur ihr augenblickliches Erscheinungsbild berücksichtigt, wird die Bedeutung zahlreicher ihrer Elemente nicht klar und viele Kausalzusammenhänge erschließen sich nicht. Landschaft ist nur zu einem Teil von momentan einwirkenden Gegebenheiten geprägt, zu einem anderen Teil von Faktoren, die nur in der Vergangenheit oder seit langer Zeit auf sie eingewirkt haben. Es ist wichtig zu wissen, mit welchen Einflüssen auf die Landschaft noch zu rechnen ist und welche sie nur in der Vergangenheit geprägt haben. In den folgenden Kapiteln soll auf verschiedene Aspekte des Einflusses von Natur und Mensch auf Landschaft eingegangen werden.
Bestand und Wandel von Natur
Wenn man natürliche Einflüsse auf Landschaften untersucht, wird Natur üblicherweise zunächst einmal so dargestellt, wie sie jetzt ist: Da wird die derzeitige Oberflächengestaltung betrachtet, die Verteilung der Landmassen gegenüber dem Meer, die Formen der Gebirge, die darin eingeschnittenen Flusstäler, die Ebenen. Das Untersuchungsergebnis, in Form eines Bildes, einer Landkarte oder eines Berichtes, ist ein Tableau oder eine Momentaufnahme, es ist nicht die Natur selbst, sondern ein Abbild der Natur. Dieses Abbild ist stabil, aber der Gegenstand, der darin beschrieben ist, verändert sich unaufhörlich. Es besteht also ein wichtiger Unterschied zwischen der Natur und ihrem Abbild in der Beschreibung. Das Wirken der Natur setzt sich aus zahlreichen Prozessen zusammen, die sich überlagern, seit Urzeiten und in derGegenwart für Dynamik sorgen und dies auch in Zukunft tun werden.
In den einzelnen Wissenschaftsrichtungen ist man sich zwar mehr oder weniger darüber klar, dass sich die untersuchten Objekte in einem permanenten dynamischen Wandel befinden; häufig wird, wenn dies auch nicht explizit gesagt wird, aber doch der Eindruck erweckt, als seien Berge, Täler, Ebenen und Meere, die Vegetation, Tiere und Pflanzen Konstanten.
Die Beschreibung von Elementen der Natur kann kaum anders erfolgen: Man muss sie zunächst so vorstellen, als seien sie stabil. Aber dazu sollte stets ergänzend klar gemacht werden, dass sie in einen permanenten Wandel oder eine Entwicklung eingebettet sind. In wissenschaftliche Konzepte, die sich mit Aspekten des Wandels befassen, dürfen diese natürlichen Elemente keinesfalls als stabile Größen eingehen.
Erdoberflächenprozesse
Die aktuell erkennbare Oberflächengestalt der Erde ist das Resultat vieler geologischer Prozesse, die nicht abgeschlossen sind, sondern fortwirken. Anstelle von geologischen Prozessen spricht man heute oft von Erdoberflächenprozessen, unter anderem aus dem Grund, weil sich damit ihre ständige Fortdauer in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft besser verdeutlichen lässt. Erdoberflächenprozesse wirkten keineswegs nur auf die Entstehung, die Formung und die Abtragung von Gesteinsschichten ein, die wir in heutigen Landschaften als Ergebnis früherer natürlicher Vorgänge beobachten und beschreiben können, sondern diese Prozesse finden in der Gegenwart und in der Zukunft ihre Fortsetzung.
Besonders wichtige Erdoberflächenprozesse, die mit der Bildung von Landschaften zusammenhängen, sind der Kreislauf des Wassers, die Abtragung und Ablagerung von Materie, die Drift der Kontinentalmassen sowie der Vulkanismus. Weitere wichtige Erdoberflächenprozesse hängen mit der Entwicklung des Lebens auf der Erde zusammen, beispielsweise mit der Fotosynthese.
Je stärker Materie den physikalischen Kräften der Atmosphäre und des Wassers ausgesetzt ist, desto rascher wird sie abgetragen. Erosion und Verwitterung lassen sich also vor allem an weit aus dem Umland aufragenden Bergen, an Steilhängen und an Kaps von Steilküsten beobachten, die weit ins Meer ragen. Materie wird dagegen in trockenen Senken, ebenso in Gewässerbecken, in Flüssen seitlich des Stromstriches und in strömungsarmen Meeresbuchten abgelagert. Ergebnis dieser Prozesse könnte ein vollständiger Ausgleich aller extremen Landformen, eine Nivellierung sein. Doch tektonische Vorgänge, die vor allem mit Kontinentaldrift und Vulkanismus in Verbindung stehen, führen immer wieder neu zur Bildung exponierter Orte, die der Erosion besonders stark ausgesetzt werden, und zur Bildung neuer Becken, in denen sich Materie ansammeln kann. An den Meeresküsten werden die Bedingungen für Abtragung und Ablagerung durch Veränderungen des Wasserspiegels erheblich verändert.
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