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Die Entdeckung der Virtualität.

Die Entdeckung der Virtualität.

Titel: Die Entdeckung der Virtualität. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Bernd Flessner
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bereits »ganz in Wirklichkeit« ihre eigenen Gehirne in ihren eigenen Schädeln haben. Was folgt daraus? Dem Autor war nicht klar, in welch unlösbare Widersprüche er geriet, als er einmal seine Helden (d. h. die »Cerebromorphen«) »von außen her« beschrieb — dann sind es graue Kutteln, die im Elektrolyt in den Glasaquarien schwimmen - und zum anderen »von innen her«, wenn er ihr geistiges Leben und ihre phantastischen Abenteuer zu Papier bringt.
       Dort, wo die Technologie der Phantomatisierung in ihrer Leistungsfähigkeit bereits mit der »natürlichen Technologie des Seins«, die die Bioevolution uns zeitweilig zur Verfügung stellte, vergleichbar ist, dort hört die Differenzierung zwischen »dem, was wirklich ist« (was angeboren, natürlich, authentisch ist), und dem, was »nicht wirklich ist« (was der Natur widerspricht, nicht authentisch, synthetisch ist), auf zu existieren. We nn man meint, daß jemand, der das sagt, was ich eben äußerte, ein wertendes Urteil abgegeben habe, dann irrt er völlig — obwohl dies mit unseren alltäglichen Intuitionen übereinstimmt. Das kommt daher, daß eine »phantomatische Vision« von uns mit Träumen, mit inszenierten Darstellungen, mit — durch Narkotika hervorgerufenen — Halluzinationen sowie mit irgendwelchen (ekelhaften oder bezaubernden) Vermummungen der Wirklichkeit assoziiert wird. Doch die Phantomatik ist — wenn wir ihre Funktion als Tarnfunktion bezeichnen wollen — dadurch charakterisiert, daß sie den Unterschied zwischen »Gesicht« und »Maske« irreversibel aufhebt. Die Impulse, die in ein Gehirn hineinfließen, sind Salven der gleichen Neuronenentladungen, egal, ob wir den Duft einer realen Rose einatmen oder ob wir den Impulsen einer Informationsapparatur unterliegen. Die Rose von dem Apparat unterscheiden kann indes nur ein Beobachter, der außerhalb von beiden steht; doch weiter: der Beobachter kann vielleicht das, was er sieht, nur deshalb sehen, weil er phantomatisiert wurde, und diesen Zustand wiederum kann nur ein Beobachter höherer Ordnung erkennen, der seinerseits... usw. Solch ein regressus ad infinitum ist bereits nicht mehr anhaltbar. Die Prämisse, daß phantomatische Impulse »minderwertiger« seien als Impulse, die aus der Wirklichkeit stammen, ist die Folge gedanklichen Beharrungsvermögens. Weil die phantomatische Realität sich erlebnismäßig durch nichts von der »wirklichen« Realität unterscheidet, ist das Verfahren, über die hierarchische Pyramide der Weckgläser mit Cerebromorphen eine Ebene »authentischer Utopie« zu bauen, nicht nur unsachlich, sondern auch einfach undurchführbar. Es ist nämlich nicht zu entscheiden, ob man bereits dem »Reinkarnationsprozeß« unterlag, wenn man die üppig wuchernde Welt der Erde einmal »wirklich« und einmal »visionär« betritt. In einer »Welt mit Phantomatik« wird man - trotz besten Willens - einen Mißtrauischen nicht davon überzeugen können, daß er bereits außerhalb derselben lebt, und keine Macht ist imstande, dafür Beweise zu liefern. Man könnte vor seinen Augen all diese Maschinen zerstören, man könnte ihn über deren Trümmer führen, die Pläne verbrennen, die Computergedächtnisse vernichten, doch auch all das könnte nur ein phantomatisches Bild sein. Wer also in solch einer Wirklichkeit auf seiner Meinung beharrt und klärende Experimente wünscht, der dürfte nicht ganz klar im Kopf sein. Wer klar im Kopf ist, wird nicht etwas verlangen, was nachweisbar undurchführbar ist.
       Lohnt es sich, darüber so viel zu reden? Ja, denn es geht um eine Problematik von Rang, um eine Problematik, die unsere Beziehung zur Welt ändert und die in ontologische und epistemologische Fragen verwickelt ist. Und eine Belletrisierung darf nicht im Widerspruch zu ihnen stehen. Zugegeben, Hjortsberg könnte — formal gesehen — solche Vorwürfe entschärfen, indem er sich auf den Tenor des Romans beruft, wonach die Cerebromorphen pausenlos durch ein »Control Center« kontrolliert und beaufsichtigt werden und erst den reinkarnierten »Primitiven« niemand mehr etwas zu befehlen hat. Doch solch ein Argument ist kindisch. Die typisch philosophische Problematik, die die Phantomatik aufwirft, kann nicht durch administrative Mittel — wie sie der Roman beschreibt — aus der Welt geschafft werden. Nicht, weil die Polizei den Philosophen nie in der Geschichte das Leben schwer gemacht hat (was im allgemeinen oft geschah), sondern weil eine derartige Restriktion an

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