Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam (German Edition)
sehr deutlich am Drehverhalten von Galaxien –, als gäbe es da draußen einen gigantischen Vorrat an Material, das sich uns nur in einer einzigen seiner Eigenschaften zeigt: seiner Schwerkraft.
Bis die Liste der Elementarteilchen abgeschlossen ist, könnte also noch viel Zeit vergehen. Möglicherweise werden wir die letzten Geheimnisse des Universums nie lüften. Ein Grund dafür ist, dass wir Menschen letztendlich auf unser »Aquarium« begrenzt sind, ein anderer vielleicht, dass das Universum die Eigenschaft haben könnte, dass einige seiner Rätsel nicht mit den Mitteln, die das Universum selbst bereitstellt, gelöst werden können. Auch hierzu gibt es Beispiele: das Innere von Schwarzen Löchern oder die Größenbestimmung von Elektronen oder Quarks, um nur einige zu nennen.
Was hält die Welt im Innersten zusammen?
Diese von Johannes Kepler im 16. Jahrhundert formulierte Frage soll uns zu den letzten Teilchen der Abbildung 3 leiten. Es gilt die Frage zu beantworten, welche Kräfte zwischen den Bestandteilen des Universums wirken.
Aus unserem Alltag kennen wir Kräfte wie die Schwerkraft, elektrische Abstoßungs- oder Anziehungskräfte und magnetische Kräfte, auf denen etwa die Funktionsweise des Kompasses basiert. Aus der Schulzeit weiß man vielleicht noch, dass sich Kräfte über große Räume ausbreiten können und man sie mithilfe von Feldlinien visualisieren kann. Ein solches Feldlinienbild zeigt Richtung und Stärke einer Kraft an verschiedenen Orten um die Kraftquelle herum an. Das Feldlinienbild eines Stabmagneten ist in Abbildung 5 zu sehen.
Doch woher wissen die Teilchen eigentlich voneinander? Die Antwort finden wir in der ganz rechten Spalte von Abbildung 3, in der die Symbole » γ «, »g«, »z« und »w«, die sogenannten Austauschteilchen, aufgelistet sind. Diese Objekte sind in gewisser Weise »Botschafter« zwischen den Bausteinen der Materie. Sie vermitteln Kräfte und werden in der Physik Bosonen genannt.
Abbildung 5: Feldlinien eines Stabmagneten
© Wikipedia (Geek3)
Die Gravitation
Man unterscheidet in der modernen Physik zwischen vier Grundkräften. Die Schwerkraft ist eine Kraft, die zwischen allen massebehafteten Teilchen wirkt. Obwohl sie die einzige Kraft ist, die Einfluss auf die Struktur des Universums hat (Galaxienbildung, Entstehung von Sonnensystemen), wird sie in der Elementarteilchenphysik vernachlässigt. Der Grund: Sie ist im Vergleich zu den anderen Kräften fast unendlich schwach. Man nehme nur den Apfel, der Newton bekannterweise auf den Kopf fiel: Hätte Newton diesen Apfel aufgehoben, um ihn zu bewundern, so hätte sich seine Muskelkraft gegen die Schwerkraft der gesamten Erde durchgesetzt. Dies ist möglich, da die Arbeit von Muskeln auf elektrischen Kräften basiert. Bildhaft könnte man sich den Vergleich der Stärke der Gravitation mit der stärksten der vier bekannten Kräfte, der sogenannten starken Kernkraft, so vorstellen: Entsprächen der Gravitation und der starken Kernkraft zwei Gewichtsstücke (des gleichen Materials), die man auf die zwei Schalen einer Balkenwaage legte, so wäre das der Schwerkraft entsprechende Gewichtsstück so groß wie ein Proton, während das Pendant der starken Kernkraft die Größe des gesamten bekannten Universums hätte.
Abbildung 6: Kosmisches Netz
© Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching
Man nimmt an, dass gewisse Teilchen namens Gravitonen die Vermittlung der Schwerkraft übernehmen, man konnte sie aber noch nicht nachweisen. Warum die Gravitationskraft im Vergleich zu allen anderen Kräften so unfassbar schwach ist, bleibt ein ungelöstes Rätsel der Physik.
Für die großräumige Struktur des Universums ist allein die Gravitationskraft von Bedeutung, da sie nicht abschirmbar ist. Abbildung 6 zeigt eine Simulation der Verteilung von Galaxien im Universum. Es handelt sich um die sogenannte Millennium-Simulation eines internationalen Astrophysikerteams unter Leitung von Forschern des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in Garching bei München. Sie ist die weltweit größte Simulation des Wachstums kosmischer Strukturen und liefert ein detailliertes Modell für die Entstehung von Galaxien und supermassiven Schwarzen Löchern.
Die elektromagnetische Kraft
Elektrische und magnetische Kräfte werden in der modernen Physik als zwei Facetten einer einzigen Kraft beschrieben: der elektromagnetischen Kraft. Mit den »Botschaftern« dieser Kraft hat jeder Mensch jeden Tag zu tun – den Lichtteilchen, den
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