Die Entdeckung des Higgs-Teilchens: Oder wie das Universum seine Masse bekam (German Edition)
deren Wellenstruktur nicht genau zwischen die beiden Platten passt, von den Platten absorbiert werden. Die Konsequenz daraus ist, dass sich zwischen den Platten zahlenmäßig weniger Wellenstrukturen einstellen können als außerhalb der Platten, wo es keine Begrenzungen gibt. Das äußere Vakuum ist also vielfältiger und reichhaltiger als das dazwischenliegende. Der Effekt: Der Druck der virtuellen Photonen außerhalb der Platten ist größer als derjenige zwischen den Platten. Sie werden zusammengedrückt.
Abbildung 10: Der Casimir-Effekt. Vakuumfluktuationen sind Schwankungen des Vakuums um die Energie null herum. So entstehen und vergehen andauernd Teilchen.
© Wikipedia (Emok)
Virtuelle Teilchen nehmen folglich einen besonderen Platz in unserem Universum ein, einen Platz zwischen »Leben und Tod«, wenn man so will. Sie sind dem »Leben« zu nahe, um keine Spuren zu hinterlassen, und doch zu »tot«, um eine greifbare Präsenz darzustellen.
Transferiert man jedoch nur genug Energie in ein System oder einen Raum, so können diese virtuellen Teilchen die Schwelle zur Existenz überschreiten und verfangen sich in unseren Detektoren. Dies ist der Grund dafür, dass erst so ein gigantischer Apparat wie der Large Hadron Collider gebaut werden musste, um das Higgs-Teilchen nachzuweisen. Während es als virtuelles Teilchen unbemerkt im Hintergrund arbeitet, hat es – sobald es die Schwelle zur Existenz überschreitet – eine Masse von circa 126 GeV. Das entspricht rund 126 Protonenmassen. Richtiger wäre es zu sagen, dass das Higgs-Teilchen eine Anregung des Higgs-Feldes ist, das im Hintergrund arbeitet.
Zusammenfassung
Woraus besteht also Materie? Der größte Teil davon besteht aus etwas, das wir Raum nennen. Was Raum genau ist, bleibt noch zu klären. Zumindest ist er nicht einfach nur ein Hintergrund, sondern er kann sich dehnen und krümmen. Zusammen mit dem, was wir Zeit nennen, bildet er ein Geflecht, das im Extremfall eine Sekunde zu 100 Jahren verzerren kann.
An jedem Punkt dieses Raumes entstehen und vergehen in jeder Sekunde Teilchen, die gar nicht da sein dürften und die im Grunde genommen gar keine solchen Teilchen sind, wie wir sie aus dem Alltag kennen.
Materie ist an Masse geknüpft. 99 Prozent der Masse eines Atoms stecken im Kern. Und 99 Prozent der Masse des Kerns entsprechen gar nicht der Masse seiner Bestandteile, sondern sind ein Effekt der Wechselwirkungsenergie seiner Quark-Bausteine. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Was wir also in Wirklichkeit anfassen, wenn wir unser Bierglas heben, ist die manifestierte Energie der Wechselwirkungen, die seine ultraleichten Bestandteile aufeinander ausüben. Auf diese Weise entsteht der größte Teil der Masse eines Körpers. Das Gleiche gilt für das gesamte sichtbare Universum.
Was unerklärlich bleibt: Von den rund 1000 MeV eines Protons entfallen gerade einmal 15 MeV auf seine drei Quarks. Ohne diesen kleinen »Rest« an Masse gäbe es keine Galaxien, Sterne oder Planeten. Erst diese 15 Ein heiten an Masse verwandeln einen strukturlosen Energiebrei in ein Universum, wie wir es heute beobachten und bestaunen können. Von Raum und Energie allein ließe sich schlecht leben. Doch woher stammt dieser kleine Rest, der den großen Unterschied ausmacht?
Und hier kommt er ins Spiel, der Higgs-Mechanismus! Er ist es, der unsere Welt davor bewahrt, in Raum und Energie zu zerfließen. Er verleiht den Quarks, Leptonen und einigen Bosonen Masse und lässt sie so »zur Ruhe kommen«. Masselose Teilchen können sich nämlich nur mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, was eine sehr schlechte Rahmenbedingung für die Entstehung von Strukturen ist.
Nun haben wir unser Ziel in einer ersten Annäherung ins Visier genommen. Dabei ist interessant zu beobachten, dass von den großen Mengen an verschiedenen Teilchen, die auf jeder Ebene der Größenskala existieren, jeweils immer nur ein verschwindend kleiner Bruchteil nötig ist, um die Welt, in der wir leben, aufzubauen.
Gleichwohl hat das physikalische Weltbild – so selbstsicher es daherkommen mag – auch seine Schwächen. Man mag den Eindruck gewinnen, dass viel erklärt worden ist. Die Welt bestehe aus Protonen, Elektronen, positiven wie negativen Ladungen – im Grunde genommen einfach aus einer gewaltigen Menge Energie in verschiedenen Formen. Aber was ist Energie? Und was genau soll denn eine elektrische Ladung sein? Welche Form der Existenz hat sie, und warum sind Protonen und
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