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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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wozu war es noch mal gewesen?
    »Man gibt es alle vier Stunden in dünnem Haferschleim oder einem Brei aus Sago oder Maniok«, hörte er Sarah sagen. »Warme trockene Tücher auf den Bauch, Flaschen mit warmem Wasser an die Füße.«
    Er hätte es nicht wiederholen können.
    »Dann striktes Alkoholverbot, bis es vorbei ist.«
    Er sah sie an, skeptisch, als kennte er sie nur von Ferne. Das hier war sie aber.
    »Dann striktes Alkoholverbot, bis es vorbei ist.«
    »Was vorbei ist?«
    »Die Cholera.« Sie seufzte. »Ein Schiffsarzt hat damit über zweihundertsechzig Fälle kuriert. Innerhalb von fünfzig Stunden. Kein Toter.«
    »Ein Chirurg?«
    Ihr Blick sagte Ja.
    »Wo denn?«
    Sie hatte den Namen vergessen: »Die Shark . Oder Dolphin . Oder so.«
    »Wann denn?«
    »Fünfundzwanzig.«
    Cholera? Er musste den Anschluss wiederfinden, zum Teufel. Sie meinte eine Jahreszahl: »Achtzehnhundertfünfundzwanzig«, wiederholte sie, weil er nichts kapierte. Seine Gleichgültigkeit verstand sie überhaupt nicht, und sie billigte sie auch nicht.
    »Wird sie nicht auch über die Kalbshäute übertragen?«, fragte er zu seiner Verwunderung, er musste das gelesen haben, vor Tagen oder Wochen oder vielleicht heute Morgen erst, hatte er heute Morgen Zeitung gelesen?
    Woher wusste er das?
    Sie sah ihn an, als redete er Unfug wie ein Kind, sagte: »Kalbshäute.«
    »Die nicht unter die Quarantäne fallen.«
    Ihr Blick strafend. Hatte sie selbst ihm gerade eben erst von den Kalbshäuten erzählt, oder gestern oder vorgestern, hatten sie eben darüber geredet, sie beide, eben, vor einer halben Minute? Oder gestern oder vorgestern?
    Sie sagte: »Doch, die auch.«
    Glück gehabt. In den uferlosen Raum fragte er: »Was?«
    »Unter Quarantäne. Die Reeder haben ziemlich getobt.«
    »Wegen der Quarantäne?«
    »Wegen der Nachrede, es gebe keine oder sie hielten sie nicht.«
    Faraday war jetzt an die Kochstelle gekommen und küsste Sarah, was beiläufig war und Bedeutung hatte.
    »Die Angst davor ist so groß, weil man nach kurzer Zeit nicht mehr weiß, wer man ist.«
    Das hatte er so noch nicht gehört.
    »Einer war sicher, dass er tot ist«, Sarah schmeckte auf einem Holzlöffel eine Soße ab, deren Geruch längst den Raum erfüllte, was er jetzt bemerkte, als er gleichzeitig den Geschmack auf der Zunge hatte, obwohl nicht er, sondern sie es war, die probierte.
    »Als man ihn fragte, wieso er das glaube, hat er von sich in der dritten Person gesprochen und gefragt, wieso er glaube, dass er lebe, wenn er nichts fühle.«
    Faraday sah auf die Kartoffeln im Kochtopf. Anderson klopfte an die Tür, manchmal aß er mit. Faraday öffnete ihm stumm.
    »Er war ganz blau im Gesicht, fast schon schwarz.«
    Faraday war zurück am Herd, wendete den Blick von den Kartoffeln nicht ab.
    »Keine Angst, Fleisch kommt auch auf den Tisch.«
    Er nickte, setzte sich wieder, ohne zu wissen, was er neuerdings gegen Kartoffeln hatte. Anderson begrüßte Sarah und setzte sich über Eck.
    »Sie wandert zwanzig Meilen am Tag«, sagte Faraday matt und gereizt, was die anderen hätten bemerken können.
    »Wesentlich weniger als Napoleon in seinen besten Zeiten«, wusste Anderson, ohne eingeführt werden zu müssen, worum es ging.
    Faraday störte die Bezeichnung »beste Zeiten«, er sagte aber: »Sie ist auch wesentlich weniger wählerisch.«
    »Also wird sie kommen?« Sarah hatte sich zu den beiden Männern umgedreht.
    Die beiden blickten sie nur an. Sarah musste die Frage wiederholen. Sie wollte eine Meinung haben.
    »Die Katholiken«, so Anderson schnippisch, »sind der Meinung, sie kommt.«
    Sarah setzte ein fragendes Gesicht auf, aus Höflichkeit, wie Faraday wusste, denn über das Thema hatten sie schon gesprochen.
    »Sie meinen«, wurde Anderson deshalb explizit, »es stünde in keines Menschen Macht, die Cholera aufzuhalten. Allein Gebete könnten ...«
    Faraday gefiel das überhaupt nicht: »Das meinen nicht nur die Katholiken.« Erst letzte Woche hatte er nach dem Freitagsvortrag einen Arzt aus dem Norden sagen hören, Katholizismus sei ein elektrisches Problem im Kopf, das man eines Tages würde beheben können.
    »Glauben Sie denn eher an den Menschen als Überträger oder an die atmosphärische Theorie?«
    Das wisse er nicht, sagte Faraday bloß.
    »Aber was glauben Sie denn?«
    Faraday sagte, in diesem Fall glaube er gar nichts, und wenn er etwas glaubte, so wäre das von keiner Bedeutung.
    Anderson verstand ihn nicht: »Wieso?«
    »Weil ich nichts darüber

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