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Die Entdeckung des Lichts

Die Entdeckung des Lichts

Titel: Die Entdeckung des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Bönt
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klein, aber leicht zu finden, sobald man nach ihnen sucht. Sie sind zur Windrichtung immer parallel, die Wellen, ein Kräuseln, das auf der Oberfläche von links nach rechts und von rechts nach links läuft, ist gut zu sehen, wenn die Sonne auf das Wasser scheint.«
    Und?
    Im Hotelzimmer versuchte er, sie mit einer Wanne zu reproduzieren, konnte aber den Wind nicht gut genug nachahmen. Nachts hörte Sarah ihn atmen, spürte, wie er sich umdrehte, und sah ihm nach, wenn er aufstand. Sie hörte, wenn er Wasser trank und aus dem Fenster schaute und seufzte, wenn er sich wieder hinlegte, in der Hoffnung, eine Stunde Schlaf zu bekommen. Sie schlief selbst schlecht, wegen der Unruhe, aber auch aus Sorge. Am Tage versuchte sie, ihn zum Abschalten zu bewegen: sinnlos. Sein Geist eine Fliege hinter Glas, dann wieder ein Raubtier in Gefangenschaft, das ahnte, nicht Gewalt, nur Schläue bringt es hier raus. Disziplin. Er musste sich nur die Wut, die zu jeder Tageszeit und jeden Monat stärker in seinem Rücken stand, zur Verbündeten machen, er musste sie in Zärtlichkeit verwandeln, nur ...
    Mal half langes Blicken auf das Wasser. Der Gleichmut der Wellen war majestätisch: wenn man das so sehen wollte. Mal verschärfte langes Blicken auf das Wasser den Tonus seines Geistes auch, und wovon der neben frischer Luft und möglichst gutem Schlaf noch abhängig war, konnte Faraday nicht ausmachen. Er wollte über Wellen nachdenken. Maßlos strengte ihn mittlerweile an, bei jeder einfachen Entscheidung, sei es für ein Abendessen oder gegen einen Spaziergang, um viele Ecken denken zu müssen.
    Oft sagte Sarah: »Wir machen das so.«
    Oder: »So machen wir das.«
    Im August war er zurück in seinem Keller. Im Laborbuch begann er elektromagnetische Versuche wieder ab einem Punkt eins zu notieren. Im September schrieb er Phillips, er habe etwas Besonderes gefunden, könne aber noch nicht sagen, was: »Zu gefährlich. Am Ende habe ich statt eines Fisches vielleicht doch nur Unkraut am Haken.«
    Das war übertrieben, stark übertrieben, und seine Fröhlichkeit im angeschlagenen Zustand echt und verräterisch. Am 29. August wusste das Tagebuch: »Ein Stromwelle beim An- und Abklemmen der Batterie. Welle offenbar kurz und schnell.«
    Er hatte das Bild der Sandrillen übersetzt: Als Wasser diente ein Eisenring, um den auf einem Abschnitt eine Spule gewickelt war. Als Wind nahm er ein Magnetfeld, das er mit Strom in der Spule erzeugte. Als Sand diente ein zweiter Draht, auch er zur Spule und abschnittsweise um den Eisenring gewickelt, auf der gegenüberliegenden Seite.
    Was du dir nicht erfliegen kannst, musst du dir erhinken.
    Schickte er Strom in die erste Spule, war das, wie den Wind anzustellen: Der Draht, der jetzt ein Magnet war, magnetisierte den Eisenring, als sei er das Wasser, und aus dem zweiten Draht, als sei er der Sand, kam ein Strompuls heraus. Klemmte er die Batterie ab, erhielt er einen zweiten Puls, der in die andere Richtung lief.
    »Hm.«
    Brauen zusammengekniffen, Zeigefinger am Mund, kleiner Finger und Ringfinger kratzten die Kopfhaut, Zeigefinger und Daumen zwickten ins Ohrläppchen: Das war doch anders als bei Wind, Welle, Wasser und Sand. Aber das war ja auch nur eine Idee gewesen. Er sprach laut mit sich selbst, hellen Schmerz in der Herzgegend.
    Er hielt ein Stück Papier über die flach auf den Tisch gelegte Anordnung und streute Eisenspäne darauf, um das Feld zu sehen. Er sah vier Pole, an jedem Ende jeder Spule einen. Das Magnetfeld der einen Wicklung bewirkte einen Strom in der anderen, der ein Magnetfeld bewirkte: Das war klar gewesen. Oder? Es war mehr als nur gut, die Pole und Linien mit eigenen Augen zu sehen.
    Er überlegte, wie eine Wanne beschaffen sein müsste und wie ihre Füllung, um so ein Wellenbild zu erzeugen. Und wieso die Welle nur so kurz war und so schnell.
    Beim Abendessen redete er nicht, was Sarah keineswegs störte. Dass er sie nicht küsste, hatte nichts zu sagen.
    »Sie haben was gegen die Cholera gefunden«, erzählte sie mit dem Rücken zu ihm: »Statt Kalomel benutzen sie jetzt salpetrige Säure, eine Unze Pfefferminzwasser und vierzig Tropfen Opium.«
    »Kalomel?«
    »Quecksilberhornerz.«
    Er sagte nichts dazu. Er hatte nicht hingehört. Er rannte hinter einem Strom her, der in seinem Kopf kreiste und schneller war als er, eine Idee, die er nur kurz gesehen, aber nicht erkannt hatte und kriegen wollte, bevor sie verschwand. Hatte er nicht schon auf der Treppe damit angefangen? Was,

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