Die Entfuehrung
nervösesten machte.
»Mr. Mahwani, Ihre Frage bitte. «
Der vornehme alte Herr mischte seine Notizkarten auf dem Tisch vor sich, dann legte er sie beiseite. Er nahm seine Brille ab und hielt sie in der Hand, wie ein Lehrer seinen Zeigestock.
»Herzlichen Glückwunsch!« rief er zur Überraschung aller aus. »Ich beglückwünsche Sie beide zu dieser heilsamen Diskussion, bei der es sicherlich um wichtige Themen gehen wird.«
Er lehnte sich zurück in seinem Stuhl, als wollte er nicht weiter zu den Kandidaten, sondern zur ganzen Welt sprechen. Seine Stimme nahm den rhythmischen Tonfall eines Predigers aus den Südstaaten an. »Am siebten November wird das amerikanische Volk mehr tun, als über Wahlkampfthemen abstimmen. Es wird einen Menschen wählen, der es ins nächste Jahrtausend führt. Es wird einen Mann oder eine Frau zu seinem Präsidenten bestimmen.
Dieser Wahlkampf hat bisher jede Diskussion über die Persönlichkeit der beiden Kandidaten völlig außer acht gelassen. Aber ich bin sicher, dass Millionen von Zuschauern zu Hause sich heute abend einige grundlegende Fragen stellen. Wie kann ein Präsident eine Nation führen, wenn nicht durch sein Beispiel? Ist dieser Mann oder ist diese Frau als Bürger ein Vorbild für unsere Kinder?«
Mahwani beugte sich effektvoll vor, blickte dann von einem zum anderen Kandidaten - zuerst zu Howe, dann zu Allison. Seine Stimme nahm einen gedämpften Tonfall an, womit er das Publikum zwang, noch aufmerksamer zuzuhören. »Meine Frage an beide Kandidaten ist ganz einfach: Haben Sie jemals Ihr eheliches Treuegelöbnis gebrochen?« Es wurde still im Publikum. Nach einer peinlichen Pause ergriff der Moderator das Wort. »Ms. Leahy, Ihre Antwort bitte.«
Allison musste schlucken. Voranzugehen barg immer ein Risiko, aber auf eine solche Frage als erste zu antworten war besonders verfänglich. Sie dachte sorgfältig über die Frage nach, wollte die Antwort gut abwägen. Sie suchte Peters Blick in der zweiten Reihe. Er wirkte stoisch und zugleich zuversichtlich. Schließlich antwortete Allison. Sie richtete ihre Antwort an das Publikum statt an Mahwani oder gar an ihren Mann.
»Zuallererst lassen Sie mich folgendes sagen: Obwohl ich Mr. Mahwanis Recht zu fragen, was immer er will, respektiere, steht diese persönliche Frage völlig außerhalb des Stils dieses themenorientierten Wahlkampfs, den General Howe und ich bisher gepflegt haben. Ich bin stolz auf die Tatsache, dass dieser Präsidentschaftswahlkampf - im Gegensatz zu vielen anderen in der Vergangenheit - auf zivilisierte und informative Weise geführt wird. Ich bin stolz darauf, dass sich beide Kandidaten den persönlichen Diffamierungen und Beleidigungen, ebenso wie den Angriffen auf Familienmitglieder, verweigert haben, die leider ein Markenzeichen amerikanischer Politik geworden sind.
Mr. Mahwanis Frage wirft eigentlich ein viel wichtigeres Thema auf. Werden wir als Amerikaner an diesem wichtigen Schritt nach vorn festhalten und über politische Themen diskutieren, anstatt uns in Beschimpfungen zu ergehen? Oder werden wir zurückkehren in eine Zeit, in der die Bewerbung um ein Amt gleichbedeutend war mit der Eröffnung der Jagdsaison auf die intimsten und persönlichen Geheimnisse der Kandidaten, unabhängig davon, wie unbedeutend diese für die Wahlthemen sind?
Bitte verstehen Sie mich richtig. Ich kann mir Umstände vorstellen, unter denen extrem persönliche Fragen relevant sein können. Wenn ein Kandidat sich direkt an die Medien wendet und seine oder ihre eheliche Treue zum Thema macht, dann sollte dieser Kandidat damit rechnen, einige kritische Fragen beantworten zu müssen. Wenn eine dritte Partei Beweise vorlegt, dass ein Kandidat sich unmoralisch verhält, dann sollte die Öffentlichkeit eine Antwort erwarten können. Aber ich denke nicht, dass jeder Kandidat bei jeder Wahl gezwungen ist, wie selbstverständlich die Medien in sein Schlafzimmer sehen zu lassen.«
Sie hielt inne, aber ihre Stimme blieb klangvoll.
»Aus dem Interesse, der politischen Debatte in Amerika ein würdiges Niveau zu erhalten, weigere ich mich, auf diese Frage zu antworten, und zwar ganz einfach aus Prinzip.«
Ein herzlicher Applaus ertönte von der linken Seite des Publikums. Sie blickte noch einmal zu ihrem Mann in der zweiten Reihe. Auch er applaudierte. Sie stieß einen unmerklichen Seufzer der Erleichterung aus. »Ruhe bitte«, sagte der Moderator.
Der Applaus nahm langsam ab. Mahwani sah weg und schüttelte sichtlich
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