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Die Entfuehrung

Die Entfuehrung

Titel: Die Entfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grippando
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besetzt. Schilder und Mützen waren im Saal verboten, aber die politischen Anstecker, die an den Jackenaufschlägen befestigt waren, ließen auf ein Publikum schließen, das sich zu ziemlich gleichen Teilen in Anhänger von Leahy und Howe aufteilte.
    Unmittelbar nachdem Allison am Montagabend die Herausforderung von General Howe angenommen hatte, war der politische Schlagabtausch von der Kommission für Präsidentschaftsdebatten auf Donnerstag in Atlanta angesetzt worden, zwölf Tage vor der Wahl. Allison hatte fast den ganzen Mittwochabend und den gesamten Donnerstag damit verbracht, sich auf die Themen vorzubereiten, sich mit ihren Helfern zu treffen und sich mit den allerneuesten Tipps von ihren Beratern einzudecken.
    Allison stand vom Publikum aus gesehen links hinter einem Mahagonipult. Sie trug ein hellblaues St.-John-Kostüm und hatte ihr Haar modisch hochgesteckt, was ihre seriöse und zugleich weibliche Erscheinung unterstrich, die die Titelbilder von Tausenden von Zeitschriften geziert hatte. Lincoln Howe stand auf der rechten Seite. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug, ein hellblaues Hemd, eine rote Krawatte und goldene Manschettenknöpfe. Obwohl er den ganzen Wahlkampf selbstverständlich in Zivilkleidung bestritten hatte, wirkte er immer wie ein Soldat, dem man die Uniform weggenommen hatte. Heute Abend sah er ganz nach Präsident aus.
    »Guten Abend«, sagte der Moderator, »und willkommen bei den Präsidentschaftsdebatten der Wahl 2000. Heute Abend haben wir eine ungewöhnliche Runde. Vier renommierte Journalisten, jeweils zwei von jedem Kandidaten ausgesucht, dürfen jede beliebige Frage stellen.«
    Allison ließ ihren Blick über das Publikum schweifen, während der Moderator die Runde vorstellte. Sie tauschte ein kleines Lächeln mit ihrem Ehemann, der in der zweiten Reihe saß. Peter Tunnello war nach Meinung der Zeitschrift Business Week »ein visionärer Millionär aus eigener Kraft«, der dem Geschäft des Plastikrecycling den Weg gebahnt hatte -ein ausgesprochen profitables und dazu politisch korrektes Betätigungsfeld für den Gatten einer Politikerin. Mit seinen sechsundfünfzig Jahren war er acht Jahre älter als Allison. Er hatte vornehm graumeliertes Haar und dunkle Augen, mit denen er seine Frau bezaubern, aber auch seine Feinde einschüchtern konnte. Allison war einige Monate vor Emilys Entführung gelegentlich mit ihm ausgegangen. Sie hatte ihn nicht umwerfend gefunden, aber wenn die nachfolgende Tragödie und die endlose Suche eins bewiesen hatten, dann das, dass Peter zu der seltenen Sorte Männer gehörte, die in Zeiten der Not zu einem halten.
    Allison war keine Sklavin ihrer Intuition, aber irgend etwas in der Luft - die Schwingungen, die Atmosphäre - gab ihr plötzlich das Gefühl, dass heute Abend wieder eine solche Zeit der Not eintreten könnte.
    Der Moderator fuhr fort. »Da dies die dritte Debatte ist, werden wir auf Eröffnungserklärungen verzichten und direkt zu den Fragen übergehen.«
    Allison nippte an ihrem Wasser, erleichtert darüber, sich nicht noch einmal anhören zu müssen, wie der General seinen Lebenslauf vortrug, so beeindruckend der auch war. Eine Tapferkeitsmedaille für Vietnam. Sein kühner Triumph als Viersternegeneral, der mit den Operationen des Spezialkommandos beauftragt war, das achtunddreißig amerikanische Geiseln aus der Gewalt von schwerbewaffneten Terroristen in Beirut befreit hatte. Der wohlverdiente Ruf eines furchtlosen Falken im Pentagon. Sie fragte sich allerdings, wann seine Strategen endlich begriffen, dass dieser ganze militärische Machismo sogar seine größten Verehrer nervös machte in Bezug auf die Wählbarkeit eines Präsidenten, der möglicherweise ein bisschen zu eifrig dabei war, ihre Söhne und Töchter in den Krieg zu schicken.
    Der Moderator wandte sich der Runde zu. »Mr. Mahwani, wir beginnen mit Ihnen, Sir.«
    Abdul Kahesh Mahwani war ein radikaler, aber geachteter ehemaliger Vorsitzender der Nationalen Vereinigung Schwarzer Journalisten. Er hatte sich in den sechziger Jahren einen Namen gemacht durch die Unterstützung der Bürgerrechtsbewegung, dann war er zum Islam übergetreten und hatte seinen Namen geändert. Sein schwarzer, rasierter Schädel glänzte unter den Bühnenscheinwerfern. Seine runzlige Hand zitterte, als er langsam ein gefaltetes Taschentuch aus der Brusttasche zog und sich die feuchte Stirn abtupfte.
    Mahwani war von General Howe ausgewählt worden. Er war derjenige der Viererrunde, der Allison am

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