Die Entscheidung
sterbenden Legende waren mehr wert als alle Auszeichnungen, die ihm die Regierung jemals hätte verleihen können.
»Ich weiß schon seit einiger Zeit, dass ich bald sterben werde, und ich wollte noch ein paar Dinge in Ordnung bringen, bevor es soweit ist. Eines davon ist, dass ich Ihnen Ihr Leben zurückgebe, Mitchell.« Stansfield reichte Rapp eine dicke Aktenmappe. »Das ist Ihre persönliche Akte.«
Rapp war unangenehm überrascht. »Ich dachte, wir hätten uns von Anfang an darauf geeinigt, dass es nie irgendwelche Aufzeichnungen über mich geben würde.«
»Ja, das hatten wir auch vor, aber die Dinge haben sich geändert. Einige Ihrer Aktionen in den letzten paar Jahren haben sich einfach nicht ganz geheim halten lassen.« Stansfield sah Rapp mit seinen stahlgrauen Augen an. »Diese Akte ist mein Geschenk an Sie und Irene. Ich habe sie zusammen mit Max Salmen geschrieben, und es steht unter anderem darin, dass Sie in den vergangenen zehn Jahren als NOC für die Agency tätig waren. Vieles von dem, was Sie getan haben, ist natürlich nicht darin enthalten oder nur sehr verkürzt wiedergegeben. Sie sind jetzt über jeden Verdacht erhaben, Mitchell.«
Rapp verstand nicht recht, was das Ganze sollte. NOC war die Kurzbezeichnung für jene Mitarbeiter der Agency, die irgendwo im Ausland eingesetzt wurden, aber keinerlei diplomatischen Schutz einer amerikanischen Botschaft oder eines Konsulats genossen. Rapp starrte die Akte in seiner Hand an. »Aber warum jetzt? Warum nach so vielen Jahren?«
»Weil wir möchten, dass Sie die Truppe in Langley verstärken.«
»In Langley?«
»Ja. Wir möchten, dass Sie in der Anti-Terror-Zentrale die Abteilung für den Nahen und Mittleren Osten übernehmen.«
Rapp sah Irene Kennedy an. Er war sprachlos. Nie hätte er gedacht, dass sie so weit gehen würden. Es war ziemlich ungewöhnlich, dass man das Risiko einging, jemandem mit seiner Vergangenheit einen so verantwortungsvollen Job in Langley anzubieten. Irene Kennedy antwortete auf seinen ungläubigen Gesichtsausdruck mit einem Lächeln. »Seid ihr euch da wirklich sicher?«, fragte Rapp.
»Ja«, antwortete Irene Kennedy. »Du bist einfach zu wertvoll und auch zu jung für den Ruhestand.«
Rapp blickte auf die dicke Akte und schüttelte den Kopf. Er wusste immer noch nicht, was er sagen sollte. Die Vorstellung, weiter für eine Sache arbeiten zu können, von der er überzeugt war, hatte durchaus einen gewissen Reiz – doch andererseits war er sich nicht sicher, ob er für die tägliche Tretmühle von neun bis fünf Uhr der Richtige war. In Langley waren es die Bürokraten, die den Ton angaben.
»Mitchell«, begann Stansfield, »es gibt da etwas, das Sie wissen sollten. Ich fürchte, Sie waren in Deutschland nicht das eigentliche Ziel des Anschlags.«
Angesichts der Tatsache, dass Rapp zwei riesige blaue Flecken auf der Brust hatte, kam ihm Stansfields Bemerkung etwas eigenartig vor. »Nichts für ungut, Thomas, aber ich bin wohl der Einzige hier im Zimmer, auf den in der vergangenen Woche geschossen wurde.«
»Ich habe ja nicht gesagt, dass man Sie nicht töten wollte. Was ich meinte, war, dass man damit jemand anderen treffen wollte. Man hätte Sie tot neben der Leiche von Graf Hagenmüller finden sollen. Dadurch wollte man nicht nur dem Präsidenten schaden, sondern auch Irenes Laufbahn zunichte machen.«
Der Präsident horchte seinerseits auf; auch er hörte das zum ersten Mal. »Was wollen Sie damit sagen, Thomas?«
»Da stecken nicht die Irakis oder sonst jemand im Ausland dahinter – nein, das geht von Washington aus. Da gibt es jemanden, der verhindern will, dass Irene die Leitung der CIA übernimmt, und der außerdem Ihre Regierung zu Fall bringen will, Mr. President.«
»Haben Sie irgendwelche Informationen, die Sie mir bisher vorenthalten haben?«
»Nein, habe ich nicht, Mr. President. Alles, was ich weiß, habe ich Ihnen schon gesagt. Aber ich bin in den vergangenen vierundzwanzig Stunden zu dem Schluss gelangt, dass die Leute, die hinter alldem stehen, ziemlich ehrgeizige Ziele verfolgen müssen.«
»Können Sie das etwas näher erläutern?«
»Das Ganze war kein persönlicher Racheakt gegenüber Mitchell. Wenn das der Fall gewesen wäre, dann hätten ihn die Jansens schon vorher im Forsthaus erschossen. Aber sie haben gewartet, bis Mitchell den Grafen ausgeschaltet hatte, bevor sie selbst zuschlugen. Das lässt nur den einen Schluss zu, dass sie wollten, dass man Mitch neben dem Grafen findet und
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