Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
huschte über ihr Gesicht. »Dann zeigen Sie es uns. Uns und der ganzen Welt.«
Verdutzt sah der Kurfürst auf, ebenso Mentiri.
»Zeigen Sie es«, fuhr Bernina fort, »indem Sie die wichtigen Gespräche, zu denen Sie angereist sind, auf einen guten Weg bringen. Auf den einzigen Weg, den es noch geben kann.«
Anerkennend nickte Maximilian. »Das war gut gesprochen. Ich werde mir Ihre Worte sehr zu Herzen nehmen.«
»Das freut mich«, erwiderte Bernina ruhig.
»Ich bin alt, doch vielleicht noch nicht zu alt. Und womöglich ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem die Welt bereit ist. Bereit für den Frieden. Selbst wenn es noch dauern wird, selbst wenn es noch Jahre dauern wird.«
»Der Einsatz wird belohnt werden«, meldete sich Mentiri wieder zu Wort. »Das fühle ich, ja, ich glaube fest daran.«
»Und was glauben Sie, Bernina?«, wollte Maximilian wissen. »Was sehen Sie, wenn Sie in die Zukunft blicken? Noch mehr Blutvergießen?«
»Nein«, entgegnete sie bestimmt. »Ich sehe Frieden.«
»So? Tatsächlich?«
»Ich sehe es voraus. Der Frieden wird kommen.«
»Das ist Ihre Prophezeiung?«
»Nennen Sie es, wie Sie möchten.« Bernina schaute vom einen zum anderen. »Da ist etwas, das mich mit Zuversicht erfüllt.«
»Dann werde ich«, äußerte Maximilian nachdenklich, »alles daransetzen, dass Ihre Zuversicht nicht enttäuscht wird.«
Von ferne erklangen die rhythmischen Schläge vieler Pferdehufe. Als wäre das ein Signal, erhoben sich alle drei von ihren Plätzen. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln, verließen sie den Raum. Mentiri hatte die Chronik wieder sorgfältig eingepackt, nur hing seine Tasche jetzt über der Schulter des Kurfürsten. Durch ein Fenster auf dem Gang sahen sie nach draußen.
Die Gruppe der Reiter preschte heran, noch ein Stück weg, verzerrte Schemen, die sich aus dem finsteren Hintergrund rissen.
»Das sind meine Männer, oder?«, stieß der Kurfürst zweifelnd hervor.
Sie eilten den Gang entlang, die Treppe hinunter und liefen inmitten einer sich bildenden Traube aus Wachsoldaten und den übrigen Gästen des Klosters hinaus auf den Vorplatz. Fackeln brannten an der Außenmauer und warfen zuckende Lichtkegel bis hin zu dem mittlerweile längst leeren Beratungszelt.
Ein großes Durcheinander entstand, das gesamte Kloster geriet in Aufruhr. Bernina suchte verzweifelt nach Nils – ohne seine Gestalt irgendwo ausmachen zu können. Soldaten stiegen aus den Sätteln, Pferde schnaubten und wurden von Knechten in Empfang genommen, Gefangene wurden abgeführt. Abt Matthäus Welzenmüller und einige Helfer kümmerten sich um Verwundete, die vor Schmerzen stöhnten. Bernina entdeckte Lottinger und Ferdinand, denen man ansah, dass sie aus tiefem Schlaf aufgeschreckt worden waren.
»Nils?«, rief sie fragend.
Doch die beiden schüttelten ratlos ihre Köpfe. »Ich dachte, er wäre bei dir«, meinte Lottinger.
»Das war er.« Bernina biss sich auf die Lippe. »Dann hielt er es jedoch einfach nicht aus. Er wollte … « Sie brach ab und spähte erneut verzweifelt in die Nacht.
Sie sah Hauptmann Eggers, der gerade einigen Untergebenen Anweisungen erteilte. Überaus zufrieden wirkte er, vollführte die schneidigen Gesten eines Siegers. Maximilians Entschluss, den ersten Schlag zu wagen, hatte sich als richtig erwiesen.
Erneut hörte Bernina Hufschlag. Sie drehte sich um und entdeckte einen einzelnen Reiter, der sein Pferd zügelte und absprang.
Sofort lief sie ihm entgegen, ein tiefes Aufatmen in ihrer Brust. »Jetzt ist es genug«, meinte sie leise, als sie vor ihm stehen blieb. »Jetzt will ich keine Angst mehr um dich haben.«
»Das brauchst du auch nicht.« Er nahm sie in die Arme und sagte erneut: »Das brauchst du auch nicht.«
Danach sprachen sie überhaupt nichts mehr. Arm in Arm gingen sie auf das Kloster zu und zogen sich in ihr Zimmer zurück.
Am nächsten Morgen wurden die Gespräche im Zelt fortgesetzt. Nach einem freundlichen Abschied von Kurfürst Maximilian und dem Abt des Klosters machte sich Bernina inmitten ihrer kleinen Gruppe auf den Rückweg – für sie gab es an diesem Ort nichts mehr zu tun; außerdem waren sie wahrlich lange genug von zu Hause fortgewesen. Sie griffen auf ihre Wagen zurück, die nicht mehr die Bücherkisten enthielten, sondern großzügig gefüllte Säcke mit Reiseproviant. Zum Zeichen des kurfürstlichen Dankes. Mentiri blieb zurück in St. Peter, erschöpft, am Ende seiner Kräfte, doch auch glücklich über den Weg, den er
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