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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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zurückgelegt hatte.
    Bernina und Nils nahmen ihr früheres Leben wieder auf, gaben sich dem Alltag hin, erleichtert, dass sie ihn zurückgewonnen hatten, dass es um sie herum nichts anderes als den Petersthal-Hof gab.
    Etwa eine Woche nach ihrem Aufbruch im Kloster erhielten sie überraschend Besuch. Ein Zweispänner rumpelte heran und ein todesbleicher Mentiri entstieg dem Gefährt, das von einem Soldaten der kurfürstlichen Truppen gelenkt wurde. Als Bernina und Nils den alten Mann willkommen hießen, erklärte er, dass er noch eine Bitte habe – seine letzte, ein für alle Mal.
    »Wie können wir Ihnen helfen?«, fragte Bernina.
    »Indem Sie mir einen Platz zum Sterben zur Verfügung stellen«, antwortete er in gelassenem Tonfall. »Ich habe so lange allein gelebt, dass ich wenigstens bei meinem Tod jemanden an meiner Seite haben möchte.«
    Bernina brachte keinen Ton hervor. Traurig sah sie zu, wie Nils ihn ins Haus führte und sich anschließend um das wenige Gepäck Mentiris kümmerte. Die Kutsche fuhr ohne Passagier wieder ab. Mentiri erklärte ihnen, dass ihm der Verlauf der Friedensgespräche Mut mache für eine Zukunft, in der die Welt ohne Blutvergießen auskommen würde.
    Er hustete fast unablässig, er hatte Fieber, das sich durch nichts eindämmen ließ, er fantasierte im Schlaf. Zu allem Überfluss entzündete sich seine Verwundung an der Schulter, die eigentlich recht gute Heilfortschritte gezeigt hatte. Ein Umstand, den er mit gleichmütigem Lächeln hinnahm.
    Immer wieder musste Bernina an ihre Träume denken, in denen sie von einem starren Antlitz verfolgt worden war: jener Totenmaske, die niemand anders als Mentiri gehörte. Sie hatte schon damals gewusst, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde.
    Mit einem schicksalsergebenen Lächeln auf den Lippen starb er schließlich an einem der letzten schönen, nicht ganz so kalten Tage. Er wurde auf dem Teichdorfer Friedhof beigesetzt, unweit der Stelle, an der sich das Grab des Knechtes Baldus befand. An der Beerdigung nahmen lediglich Bernina, Nils, Hermann Lottinger und Ferdinand teil. Als der Pfarrer ein letztes Gebet sprach, musste Bernina mit Tränen auf den Wangen daran zurückdenken, wie Mentiri erstmals mit ihr geredet hatte, viele Wochen zuvor, in seiner Verkleidung mit Augenklappe und dem gefärbten Haar.
    Auf dem Grabkreuz – und später auch auf dem schlichten Granitblock, den Bernina aufstellen ließ – standen die Worte, die der Verstorbene sich im Laufe seiner letzten Tage selbst ausgesucht hatte:
     
    R. I. P.
    Jan Simons
    Verstorben 1644
    Sohn einer neuen Zeit
     
    Regen setzte ein, als Bernina und Nils nach der Beerdigung auf den Hof zurückkehrten. Der Himmel war bleigrau, Kälte waberte in der Luft. Sie betraten die Küche, und Bernina sackte plötzlich zusammen, die Beine knickten ihr einfach weg. Sofort war Nils bei ihr, um ihr aufzuhelfen und sie zu stützen.
    »Bernina!«, rief er aus.
    Sie sah zu ihm auf. Besorgter als in diesem Moment war er nie gewesen.
    »Du bist krank«, kam es über seine Lippen.
    Bernina löste sich aus seinem Arm, fühlte den Boden wieder fest unter den Füßen. »Ich bin vollkommen gesund.«
    »Aber du bist doch ganz schwach.«
    »Ich bin so stark, wie eine Frau es nur sein kann.«
    Verwirrt musterte er sie. »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich weiß.« Sie lächelte. »Männer verstehen ja nie.«
     
    *
     
    Der Herbst fiel in einem letzten wilden Aufwallen mit reißenden Windböen, feuchten Nebelmassen und frühen Frostnächten über den Schwarzwald her. Der Winter kam, ein ebenso kurzer wie heftiger. Zum Jahreswechsel lag der Schnee mehrere Fuß hoch; nicht nur in den höheren Regionen herrschte Eiseskälte. Landauf, landab, über viele Grenzlinien hinweg erstarrte der Krieg, nicht jedoch die Friedensbemühungen, die langsam, aber stetig ihrem noch langen, sich zusehends weiter verzweigenden Weg folgten.
    Der Frühling begann, die ersten warmen Tage schon Ende März, was ungewöhnlich war für diesen Teil des Schwarzwaldes. Wie aus dem Nichts zogen dunkle Wolken herauf, aus denen prasselnder Regen fiel, eine ganze Nacht lang. Erst im Morgengrauen verhallte das beständige Trommeln, die Wolken rissen auf, ein beinahe golden schimmerndes Licht ergoss sich ins Petersthal und auf den Hof in dessen Mitte. In der Nähe des Hauptgebäudes ließen sich Krähen auf Baumästen nieder, schwarze Flecken im voller werdenden Grün des Blattwerks, wie eine Gruppe stummer Wachposten, schwarz und aufmerksam die

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