Die Entstehung der Arten Illustriert - Ueber die Entstehung der Arten durch natuerliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der beguenstigten Rassen im Kampfe ums Dasein
werden, wie das Erscheinen von sechs Fingern, einer stachligen Haut beim Menschen, das Otter- oder Ancon-Schaf, das Niata-Rind u. s. w.; und da diese in ihrem Cbarakter von natürlichen Spezies sehr verschieden sind, so werfen sie auf unsern Gegenstand nur wenig Licht. Schließt man solche Fälle von abrupten Abänderungen aus, so werden die wenigen, welche übrig bleiben, im besten Falle, würden sie im Naturzustande gefunden werden, zweifelhafte, ihren vorelterlichen Typen nahe verwandte Spezies herstellen.
Meine Gründe, es zu bezweifeln, dass natürliche Spezies eben so abrupt wie gelegentlich domestizierte Rassen sich verändert haben, und es durchaus nicht zu glauben, dass sie sich in der wunderbaren Art und Weise verändert haben, wie es Mr. Mivart angegeben hat, sind die folgenden: Unserer Erfahrung zufolge kommen abrupte und stark markierte Abänderungen bei unsern domestizierten Erzeugnissen einzeln vor und nach im Ganzen langen Zeitintervallen. Kämen solche im Naturzustande vor, so würden sie, wie früher erklärt wurde, dem ausgesetzt sein, durch zufällige Zerstörungsursachen und durch später eintretende Kreuzung verloren zu werden; und man weiß, dass dieß im Zustande der Domestikation der Fall ist, wenn abrupte Abänderungen dieser Art nicht durch die Sorgfalt des Menschen speziell erhalten und separirt werden. Damit daher eine neue Spezies in der von Mr. Mivart vermuteten Art plötzlich auftrete, ist es beinahe notwendig anzunehmen, dass, im Gegensatze zu aller Analogie, mehrere wunderbar veränderte Individuen gleichzeitig innerhalb eines und desselben Gebietes erscheinen. Diese Schwierigkeit wird, wie in dem Falle der unbewussten Zuchtwahl des Menschen, nach der Theorie der stufenweisen Entwicklung vermieden, durch die Erhaltung einer großen Zahl von Individuen, welche mehr oder weniger in irgend einer günstigen Richtung variieren, und durch die Zerstörung einer großen Zahl, welche in der entgegengesetzten Art variieren.
Daß viele Spezies in einer äußerst allmählich abgestuften Weise entwickelt worden sind, darüber kann kaum ein Zweifel bestehen. Die Spezies und selbst die Gattungen vieler großen natürlichen Familien sind so nahe mit einander verwandt, dass es schwierig ist, nicht wenige von ihnen zu unterscheiden. Auf jedem Kontinente begegnen wir, wenn wir von Norden nach Süden, von Niederungen zu Bergländern u. s. w. fortschreiten, einer großen Menge nahe verwandter oder repräsentativer Spezies, wie wir gleicherweise auf gewissen verschiedenen Kontinenten finden, von denen wir Grund zur Vermutung haben, dass sie früher in Zusammenhang standen. Indem ich aber diese und die folgenden Bemerkungen mache, bin ich genötigt, Gegenstände zu berühren, welche später erörtert werden. Man werfe einen Blick auf die vielen rund um einen Kontinent liegenden äußeren Inseln und sehe, wie viele ihrer Bewohner nur bis zum Range zweifelhafter Arten erhoben werden können. So ist es auch, wenn wir einen Blick auf vergangene Zeiten werfen und die Spezies, welche eben verschwunden sind, mit den jetzt in demselben Gebiete lebenden vergleichen; oder wenn wir die in den verschiedenen Gliedern einer und derselben geologischen Formation eingeschlossenen fossilen Arten mit einander vergleichen. Es zeigt sich in der Tat offenbar, dass große Mengen von Spezies in der engsten Weise mit andern noch existierenden oder vor Kurzem existiert habenden verwandt sind; und man wird wohl kaum behaupten, dass derartige Spezies in einer abrupten oder plötzlichen Art und Weise entwickelt worden sind. Man darf auch nicht vergessen, dass, wenn man auf spezielle Teile verwandter Arten anstatt auf verschiedene Arten achtet, zahlreiche und wunderbar feine Abstufungen verfolgt werden können, welche sehr verschiedene Strukturverhältnise unter einander verbinden.
Viele große Gruppen von Tatsachen sind nur aus dem Grundsatze verständlich, dass die Spezies durch sehr kleine stufenweise Schritte sich entwickelt haben; so z. B. die Tatsache, dass die von größeren Gattungen umfassten Spezies näher mit einander verwandt sind und eine größere Anzahl von Varietäten darbieten, als die Arten in den kleineren Gattungen. Die ersteren ordnen sich auch in kleine Gruppen, wie Varietäten um Spezies, und sie bieten noch andere Analogien mit Varietäten dar, wie im zweiten Kapitel gezeigt wurde. Nach demselben Prinzipe können wir auch verstehen, woher es kommt, dass spezifische Charaktere variabler sind als
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