Die Epidemie - Teil 2
Plastiktüten abgedeckt.
„ Wir nutzen jede Möglichkeit, um unser Vorrat an Trinkwasser nicht versiegen zu lassen“, sagte Maria. Doch der enttäuschte Unterton in ihrer Stimme blieb mir nicht verborgen.
„ Habt ihr Erfolg dabei?“, fragte ich sie kritisch, obwohl ich die Antwort bereits vermutete.
„ Wenig. Es hat bereits vor dem Ausbruch mehrere Wochen nicht geregnet und die letzten Tage waren ebenso trocken wie der Humor der beiden“, sie deutete auf die nach unten starrenden Soldaten und verzog ihre Mundwinkel zu einem Lächeln. „Der Grund, weshalb wir es weiterhin versuchen, sind die wenigen Tropfen Morgentau. Doch die reichen lediglich für ein oder zwei Schlucke.“
Die sichtbare Unruhe der beiden Soldaten lenkte uns von dem Thema der Trinkwassergewinnung ab. Der etwas jüngere der zwei hatte sein Gewehr nicht mehr über die Schulter gehängt, sondern hielt es wie zum Sturmangriff bereit in den Händen. Der andere Soldat lag zu Marias und meiner Verwunderung flach auf der Brust und lehnte sich gefährlich weit über die Dachkante hinaus. Er versuchte zwanghaft, etwas zu erspähen.
Bevor ich auf die Unruhe reagieren konnte, schritt Maria bereits zum Dachrand. Als sie einen Blick nach unten warf, drehte sie sich zu mir um. Ihre weit geöffneten Augen verrieten nichts Gutes. Mit weiten Schritten begab ich mich zu ihr und sah nun den Grund für die Aufregung.
Auf irgendeine unbegreifliche Art und Weise war es der Meute gelungen, sich an den Regenabflussleitungen hochzuziehen und an die Fenster in der ersten Etage zu gelangen.
Die auf dem Boden liegenden Infizierten, die der drängenden Masse zum Opfer gefallen waren, dienten den Heranrückenden als Trittleiter und verringerten den Höhenunterschied.
Plötzlich wurde die angespannte Stille durch ein lautes, klirrendes Geräusch durchbrochen. Es waren Scherben, die auf den Asphalt und den Fliesenboden der ersten Etage knallten. Der Meute fiel es nicht schwer, die einfachverglaste Scheibe zu zerbrechen.
Ohne einen Ton von sich zu geben, rannte Maria zur Treppe, um den anderen von den Ereignissen zu berichten und sie zu warnen. Im selben Moment feuerten die beiden Soldaten bereits die ersten Schüsse ab.
Mein Versuch, sie davon abzuhalten, zeigte keine Wirkung. Für sie war ich ein einfacher Zivilist, von dem sie keine Befehle annahmen und dem sie schon gar nicht gehorchten.
Ihr junges Alter war nicht nur der Grund für ihre Hartköpfigkeit, sondern spiegelte sich auch in ihrer Kampferfahrung wieder. Viele der abgefeuerten Geschosse trafen ihre Ziele nicht und gruben sich entweder in die Betonwände oder zerstörten weitere Glasscheiben. Die anstürmende Menge vom Eindringen in das Gebäude erfolgreich abzuhalten, gelang auf diese Weise nicht. Vielmehr versetzten die lauten Geschosse die Infizierten noch mehr in Rage.
Nach meiner ersten Einschätzung mussten bereits etwa fünf von ihnen in das Gebäude eingedrungen sein und mir wurde klar, dass das weitere Verweilen an diesem Ort sich langsam aber sicher ihrem Ende neigte.
Als erster erschien Nikolai in der Metalltür, die die dahinterliegende Treppe mit dem Flachdach verband. Ihm nachfolgend trat Maria auf den mit grobem Kies bedeckten Boden. Ihr Alter und der etwas üppige Körperbau ließen sie schwer atmen.
Hinter Maria watschelte Adam, ein Jüngling im Alter von etwa Zwanzig Jahren. Seine ebenso junge Freundin Alesja wich ihm nicht von der Seite. Die beiden waren nicht sehr gesprächig und verbrachten den größten Teil ihrer Zeit damit, an irgendeinem Fenster zu hocken und leise Gespräche zu führen. Auch bei meiner Ankunft hielten sie es nicht für nötig, sich zu den anderen zu gesellen, um mich kennenzulernen.
„ Wie ist das möglich?“ fragte Nikolai. Sein Blick richtete sich in meine Richtung. Ein kurzer Anflug von Schuldgefühlen verschlechterte meinen Gemütszustand noch zusätzlich. Mir war völlig unklar, weshalb er sich an mich und nicht an die Soldaten wandte. Doch wie es aussah, hoffte er von mir eine Erklärung zu bekommen. Sein Vertrauen lag nicht in der militärischen Ausbildung der beiden, sondern in mir.
„ Sie sind geschickter, als wir es vermutet haben“, antwortete ich sofort, um den fragenden Blick endlich von mir zu wenden und deutete zu der Stelle des Daches, unter der sich das zerbrochene Fenster befand. „Es müssten bereits fünf sein.“
„ Fünf?“
„ Fünf Eindringlinge.“
Die Salven der AK47 Gewehre verstummten abrupt. Schweiß lief über die
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